Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde.

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3. Er macht zu linder Wehmuth den herbsten Seelenschmerz, und taucht 
in stille Demuth das ungestüme Herz. Er macht die finstre Stunde all- 
mählig wieder hell, er heilet jede Wunde gewiss, wenn auch nicht schnell. 
4. Er zürnt nicht deinen Thränen, wenn er dich trösten will; er tadelt 
nicht dein Sehnen, nur macht er’s fromm und still. Und wenn im Sturmes- 
toben du murtend fragst: warum? so deutet er nach oben, mild lächelnd, 
aber stumm. 
5. Er hat für Jede Frage nicht Antwort gleich bereit, sein Wahlspruch 
heisst: Ertrage, die Ruhstatt ist nicht weit! So geht er dir zur Seite und 
redet gar nicht viel, und denkt nur in die Weite, ans schöne grosse Ziel. 
(Carl Johann Philipp Ipitta.) 
17. Abschied. 
1. Was macht ihr, dass ihr weinet und brechet mir mein Herz? Im 
Herrn sind wir vereinet und bleiben’s allerwärts. Das Dand, das uns ver- 
bindet, lös’t weder Zeit, noch Ort; was in dem Herrn sich findet, das 
währt in ihm auch fort. :;: 
2. Man reicht sich wohl die Hände,’als sollt’s geschieden sein, und bleibt 
doch ohne Ende im innigsten Verein. Man sieht sich an, als sähe man sich 
zum letzten Mal, und bleibt in gleicher Nähe dem Herrn doch überall. 
3. Man spricht: Ich hier, du dorten; du ziehest, und ich bleib’! und 
ist doch aller Orten ein Glied an einem Leib. Man spricht vom Scheide- 
wege und grüsst sich einmal noch, und geht auf oinem Wege in gleicher 
Richtung doch. 
4. Was sollen wir nun weinen und so gar traurig sehn, wir kennen ja 
den Einen, mit dem wir Alle gehn, in einer Hut und Pflege, geführt von 
einer Hand auf einem sichern Wege in’s eine Vaterland. 
5. So sel denn diese Stunde nicht schwerem Trennungsleid, nein, 
einem neuen Bunde mit unserm Herrn geweiht. Wenn wir uns ihn erko- 
ren zu unserm höchsten Gut, sind wir uns nicht verloren, wie weh auch 
Scheiden thut. 
(Carl Johann Philipp Spitta.) 
18. Wiedersehn. 
1. Wiedersehn! — Im Abendscheine fljistert's mir ein Säuseln zu; in des 
Friedhofs stillem Haine füllt es mich mit süsser Ruh’. Freundlich blinken 
helle Sterne tröstend durch die Nacht herab; sie verkünden aus der Ferne: 
Wiedersehn nach Tod und Grab! 
2. Wiedersehn! — Des Mondes Schimmer füllt mit Wehmuth oft mein 
Herz, ziehet von der Erde immer meine Blicke himmelwärts. Ahnungsschauer 
aus den Höhen zittern durch die weite Brust; — frohes, ew’ges Wiedersehen 
hebt sie hoch in heil’ger Lust! 
3. Ia, nach wenig flücht’gen Stunden seh’ ich die, die mir verwandt, die 
dem Staube schon entwunden wandeln in dem bessern Land. Wiedersehn 
in Friedenshainen werd’ ich, die mir früh entflohn, und ein ewiges Vereinen 
ist dann bitt’rer Trennung Lohn! (Hermann Adam von Kamp.) 
  
nu” Die Melodien zu den in dieser Ausgabo vorkommenden Liedern finden sich In den Liedorheften 
von Erk u. Greef (Livederkranz, Singvög>slein, Auswahl, Liederhain eto.). Verlag von 
© D. Baodeker in Essen.
	        
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