Leicht also, einfach durch schneidiges Landen und ohne diplo-
matische Schwierigkeiten, hat sich der Erwerb des Stützpunktes an
der Küste der reichen Provinz Schantung nicht vollzogen. Es war
ein Wagnis, gut von der Marine vorbereitet und nur am letzten
Ende infolge der mutigen Initiative des Kaisers improvisiert. Von
einer vorangegangenen festen deutsch-russischen Abmachung kann
keine Rede sein, eine lose Zusage des Zaren lag vor, weiter nichts.
Das von dem Grafen Murawiew geltend gemachte vertragliche
Vorrecht war in allen vertraulichen Besprechungen sorgfältig ver-
schwiegen und auch bei dem Gedankenaustausch während des Kaiser-
besuches am russischen Hofe im Sommer 1897 trotz der besonders
freundschaftlich gehaltenen Trinksprüche mit keiner Silbe erwähnt
worden. Die Hinterhältigkeit der russischen Politik im Falle Kiau-
tschou bildete das Seitenstück zu der im Falle der chinesischen Teil-
anleihe bewiesenen Untreue.
Kiautschou ist gegenwärtig im Besitze von Japan. Die Re-
gierung in Tokio wird sich diese Beute nicht so leicht, wie einst
Port Arthur, wieder entreißen lassen und hat bereits ihren Anspruch
auf Einverleibung Kiautschous und der deutschen Südseeinseln für
die Friedensverhandlungen angemeldet. Die Frage drängt sich auf,
ob die gewaltsame Aneignung unseres Pachtgebietes nur eine natür-
liche Folge des Eintritts Japans in den Weltkrieg an der Seite
unserer europäischen Feinde oder ob sie schon vor Kriegsausbruch
diplomatisch vorbereitet war. Mit anderen Worten: Hat Japan
vor seiner Kriegserklärung an Deutschland bindende Zusicherungen
unserer europäischen Gegner, insbesondere Englands und Rußlands,
besessen, die ihm den dauernden Erwerb von Kiautschou verbürgen?
Wenn ja, so wäre Kiautschou für Japan, das durch das Bündnis
mit England nicht zur Teilnahme an einem europäischen Krieg
verpflichtet war und auch sonst keinen Kriegsgrund gegen Deutsch-
land hatte, der Preis dafür gewesen, daß es sich dem Dreiverband
gegen die Zentralmächte anschloß.
Der englisch-japanische Bündnisvertrag wurde 1911 mit Gültig-
keit bis zum Jahre 1921 in einer von der früheren abweichenden
Fassung erneuert. Im neuen Vertrag war die Verpflichtung Ja-
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