Die Wirkung der Krüger-Depesche hing nicht davon ab, wer zuerst
auf den Gedanken gekommen war, dem Präsidenten einen kaiser-
lichen Glückwunsch zu dem Burensieg zu schicken, sondern von dem
Inhalte der Depesche, und gleichviel, wem die intellektuelle Urheber=
schaft des Gedankens zukam, die Depesche war und blieb ein
deutscher Regierungsakt in optima forma, gehörte also überhaupt
nicht unter die Rubrik impulsiver Handlungen. Nicht vom Kaeiser
oder von unverantwortlichen Ratgebern, sondern mit Wissen und
unter Billigung des allein verantwortlichen Kanzlers war sie ver-
faßt und abgeschickt worden. Das die öffentliche Meinung in Eng-
land Aufreizende ihres Inhalts lag in der Motivierung des Glück-
wunsches, daß es dem Burenvolke „in eigener Tatkraft“ und „ohne
an die Hilfe befreundeter Mächte zu appellieren“ gelungen sei, die
Unabhängigkeit ihres Landes gegen Angriffe von außen zu bewahren.
In der Londoner Konvention von 1884 war die Unabhängig-
keit der Burenrepublik durch die Klausel eingeschränkt worden,
daß sie ohne Zustimmung Englands keine Verträge mit dritten
Staaten abschließen durfte. Nach der englischen Auslegung sollte
die Republik selbständig bei der Ordnung ihrer inneren Angelegen-
heiten sein, dagegen in ihren auswärtigen Beziehungen der Auf-
sicht der Londoner Regierung unterstehen. Seitdem war Transvaal
in den Augen jedes Engländers nicht viel mehr als eine englische
Kolonie, der man selfgovernement zugestanden hat. Die Worte
der Kaiserdepesche vom 3. Januar „ohne an die Hilfe fremder Re-
gierungen zu appellieren“ klangen so, als ob der deutsche Kaiser
bereit gewesen wäre, auf einen Hilferuf des Präsidenten mit Heeres-
macht herbeizueilen und es auf einen Konflikt mit England ankommen
zu lassen.
Die Grundlage der deutschen Rechte in Transvaal bildete der
mit der südafrikanischen Republik 1885 abgeschlossene Handels-
vertrag. Der Vertrag hatte seiner Zeit der englischen Regierung
zur Genehmigung vorgelegen und sie erhalten. Damit war von
Deutschland die Londoner Konvention anerkannt worden, nach der
sich die auswärtigen Beziehungen des Transvaal in britischer Ein-
flußsphäre befanden. Unser wirtschaftliches Interesse aber ging
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