viel zu gewinnen und nichts zu verlieren.“ Nach der Krüger-Depesche,
die gar noch zeigte, daß die deutsche Regierung geneigt schien, wohl-
erworbene Rechte in überseeischen Gebieten, wenn es sein mußte,
gegen England zu verteidigen, entlud sich die Handelseifersucht
in einem allgemeinen Verdammungesfluch#).
Wie mancher, dem ein starkes Rechtsgefühl eigen ist, auch
ein starkes Vertrauen in die Wirkung scharfer rechtlicher Be-
weisführungen besitzt, so hat Frhr. v. Marschall viel Mühe und
Scharffinn darauf verwendet, in seinen Reden über auswärtige
Angelegenheiten mit unanfechtbaren Beweisgründen für den Schutz
des Rechtes und der Verträge einzutreten, aber über der Rechts-
frage hat er doch die Machtfrage keineswegs übersehen oder unter-
schätzt. Besonders bei der Vertretung der Krüger-Depesche und der
Beurteilung der ganzen Lage in Transvaal war er von Anfang an
überzeugt, daß wir uns nur mit guten Rechtsgründen behelfen
könnten und beim Aufwerfen der Machtfrage wegen des Fehlens
der nötigen Machtmittel nur Mißerfolge gegen England erleiden
würden. Eben darum vermied er in der amtlichen Behandlung der
Sache gegenüber dem anscheinend gutwilligen Lord Saliobury alles,
was wie eine Drohung aussehen konnte. Eben darum benutzte
er auch diese Gelegenheit wieder, um im Reichstage eingehend das
Mißverhältnis zwischen der Schutzbedürftigkeit unserer hochentwickel-
ten überseeischen Interessen und der Geringfügigkeit der vorhan-
denen Schutzmittel darzulegen. Ich wüßte nicht, welcher Minister
und welcher Staatssekretär vor der Zeit der systematischen Auf-
1) Hermann Oncken: „Die Vorgeschichte des Krieges“ in dem Sammel-
werk „Deutschland und der Weltkrieg“, S. 471: „Wer die psychologischen
Anlässe des Wutschreis, der nur aus dem bösen Gewissen des Schuldigen zu
erklären ist, näher kennen lernen will, mag die in der Saturday Review ver-
öffentlichten Abschlüsse von Minen= und Industriegesellschaften studieren.“
Ferner Graf Reventlow, a. a. O. S. 89: „Es ist unrichtig, von den unheil-
vollen Folgen der Krüger-Depesche zu sprechen, die unsere Beziehungen zu
England verdorben haben sollen. Aufrechterhalten läßt sich weiter nichts,
als daß die Krüger-Depesche einen Ausbruch beispielloser Heftigkeit der öffent-
lichen Meinung in England zur Folge gehabt hat. Die Krüger-Depesche kann
aber nur als der äußere Anlaß, nicht als seine Ursache angesehen werden.“
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