Full text: Der neue Kurs.

Hinweis entkräften zu können, daß das Vertrauensvotum des 
Zaren für Caprivi in die Zeit gefallen sei, als die russisch-fran- 
zösische Militärkonvention zustande kam und als seit den Eralta- 
tionen der Kronstädter Feste schon ein Jahr vergangen war. Das 
ist jedoch eine Verwechslung des Zeitpunktes: Die Außerung des 
Zaren zum Kaiser über Caprivi und Bismarck datiert nicht aus 
der Zeit des Vermerks im Hohenloheschen Tagebuch (August 1892), 
sondern war schon bei dem deutschen Kaiserbesuch in Narwa 
(18. August 1890) getan worden. ÜUbrigens hat unser Kaiser 
nicht bloß gegenüber dem Fürsten Hohenlohe, sondern auch ander- 
weitig schriftlich bezeugt, daß der Zar in Narwa zu ihm von 
seinem Mißtrauen gegen den Fürsten Bismarck so gesprochen hat, 
wie in dem Hohenloheschen Tagebuch angegeben ist. 
Um so weniger sollte hiernach die außerordentliche Überschätzung 
des Wertes der Bismarckschen Rückversicherung und der Folgen 
des Caprivischen Verzichts, ein Uberrest aus der Zeit der erbitterten 
Kämpfe des großen Kanzlers nach seinem Sturze, in der politi- 
schen Literatur weiter gehegt oder gar die kurze Periode der Caprivi- 
schen Politik, wie es Graf Reventlow noch in der Einführung 
der siebenten Auflage seines Buches tut, als die Grundlage für 
den Weltkrieg 1914 bezeichnet werden. Wer unbefangen die Ge— 
staltung der auswärtigen Lage des Reiches zurückverfolgt, kann 
nicht verkennen, daß der Wendepunkt der Entwicklung der Dinge 
zum Weltkrieg nicht am Anfange der nachbismarckischen Zeit, son— 
dern in deren Mitte lag, als sich allmählich und fast unversehens 
die altbewährte Politik der zwei Eisen in eine Politik der eigenen 
zwei Beine, wie Holstein sagte, oder, wie andere meinten, in 
eine Politik zwischen zwei Stühlen verwandelte. Doch das gehört 
auf ein anderes Blatt. 
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