Tagblatt über die Zuwendung an den Minister v. Bötticher aus
dem Welfenfonds von ihm her. Wer ihm die Nachricht verschafft
hatte, ist sein Geheimnio geblieben.
Diese Preßumtriebe, die zum Teil noch vor der Zeit meines
Eintritts in das Auswärtige Amt lagen, wurden erst durch die
Prozesse gegen Lützow und Genossen und gegen den Kriminal-
kommissar v. Tausch vollständig aufgedeckt. Da auch die weiteren
Enthüllungen im Prozeß Lützow mit zum Bilde der verworrenen
Zustände und der tief aufgewühlten Leidenschaften während des
ersten Jahrzehnts nach Bismarcks Abgang gehören, will ich eine
Schilderung des Tatbestandes, der der Anklage zugrunde lag, folgen
lassen.
Bei der Galatafel zu Ehren des Kaisers Nikolaus am . Sep-
tember 1896 in Breslau erwiderte der Zar die Rede des Deutschen
Kaisers mit den Worten: Je puis vous assurer, Sire, que je suis
animé des mémes sentiments traditionels que Votre Majesté.
Der beim Mahle anwesende Staatssekretär Freiherr v. Marschall
hatte den Text der Antwort des Zaren sofort notiert und seine
Richtigkeit von einer Persönlichkeit aus der nächsten Umgebung des
Baren bestätigen lassen. Das war in der Annahme geschehen, daß
der Stenograph des deutschen Zivilkabinetts den französischen Wort-
laut vielleicht nicht richtig stenographieren würde. Der Marschallsche
Text wurde dann dem Chef des Zidilkabinetts übergeben, der die
für die Veröffentlichung von Kaiserreden zuständige Person ist und
sich dazu des Hofberichterstatters des Wolffschen Bureaus bedient.
Hofberichterstatter war damals der Hofrat de Grahl, ein ehe-
maliger österreichischer Offizier, der vor seiner Anstellung im Wolff-
schen Bureau Redakteur der Konservativen Korrespondenz war. Ganz
abweichend von der Regel schickte de Grahl, noch bevor ihm der
Chef des Zivilkabinetts die Trinksprüche der beiden Kaiser über-
geben hatte, eine sogenannte Vordepesche an Wolffs Bureau ab, in
der die Worte des Zaren que Votre Majesté umgeändert waren in
due feu mon pere. Das ergab einen vollkommen veränderten
Sinn, da gerade Alerander III. nicht in dem Rufe stand, für die
überkommene deutsch-russische Freundschaft zu schwärmen. Hofrat
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