Full text: Um den Kaiser.

das Breittreten der sogenannten Kolonialskandale erschwert werden 
und die Ansicht Fuß fassen, daß es dem Kanzler ernst sei mit der 
Kolonialreform. Die Entlassung Ernis sehe dann auch nicht mehr 
wie ein neues Zugeständnis an das Zentrum aus. Loebell wurde an- 
gewiesen, mit Dernburg in Verbindung zu treten und dann das Ein- 
verständnis des Kaisers vom Fürsten Bülow leicht erreicht. 
Dagegen trat in jenem Sommer, in dem infolge des langen 
Erholungsurlaubes Bülowo die ständige persönliche Fühlung mit 
dem Kaiser fehlte, der absolutistische Zug im Wesen des Kaisers 
bei mehreren Gelegenheiten scharf hervor. Während der Nordland- 
reise kam ein Immediatbericht des preußischen Staatsministeriums, 
der im Anschluß an die Geburt des ersten Sohnes des Kronprinzen- 
paares den Erlaß einer Amnestie vorschlug, mit sehr ungnädigen 
Bemerkungen aus Molde zurück. Jetzt aus heiterem Himmel wegen 
der Geburt eines Enkels eine Amnestie an höchster Stelle zu be- 
stellen, sei ungehörig, das Ministerium hätte zu warten, bis der 
Souverän ihm seine Anregungen zugehen ließe. Gleichwohl gelang 
es den Bemühungen Bülows, zu den Tauffestlichkeiten Ende August 
eine Amnestie für Strafen wegen Majestätsbeleidigungen zu erwirken. 
Ferner: Nach dem Parademahl am 2. September, dem auch der 
Reichskanzler beiwohnte, zeigte sich der Kaiser aufgebracht darüber, 
daß die Bahn von Kubub nach Keetmanshoop nicht ohne Einwilli- 
gung des Reichstages und gegen den ablehnenden Beschluß in der 
letzten Tagung sogleich in Angriff genommen werden sollte. Am 
nächsten Tage, bei einem gemeinsamen Vortrag des Kanzlers, des 
Generalstabschefs v. Moltke und des Chefs des Militärkabinetts 
Grafen v. Hülsen, gab der Kaiser nur widerwillig nach. Es blieb 
aber eine Verstimmung gegen Bülow zurück. 
Die Gelegenheit, in friederizianischen Erinnerungen zu schwel- 
gen, die sich bei den auf den Sedantag folgenden Manövern in 
Schlesien bot, wurde vom Kaiser reichlich ausgenutzt. Bei dem 
für die Provinz Schlesien gegebenen Mahle in Breslau fiel das Wort: 
„Dem Lebenden gehört die Welt, und der Lebende hat recht. Schwarz= 
seher dulde ich nicht, und wer sich zur Arbeit nicht eignet, der scheide 
aus und suche sich ein besseres Land.“ In einer englischen Zeitschrift 
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