Full text: Um den Kaiser.

sogleich nach dem ersten Auftreten des neuen Herrn der Kolonial- 
verwaltung im Neichstage. Am 3. Dezember 1906 brachte der 
Zentrumoabgeordnete Roeren im eigenen Namen, ohne seine Fraktion 
vorher in Kenntnis gesetzt zu haben, neue Enthüllungen vor, die sich 
hauptsächlich auf Angaben eines gemaßregelten Bureauvorstehero in 
Togo, namens Wistuba, stützten. Der Reichsschatzsekretär Frhr. 
v. Stengel mußte von seinem Platze am Regierungstische weichen, 
dem neuen Kollegen in Spe# Raum für die mitgebrachten Abten- 
stöße zu geben. Was Dernburg aus amtlichen Schriftstücken vor- 
las, war geeignet, starke Ubertreibungen wirklicher Mißstände und 
unzulässige Einmischungen Roerens in die Erekutive zu erweisen. 
In Rede und Widerrede wurde der Kampf mit Keulenschlägen ge- 
führt. Den Höhepunkt erreichte er mit dem von Dernburg hinaus- 
geschmetterten Wort: Diese Eiterbeule mußte aufgestochen werden 
und sie ist aufgestochen! Nicht nur die Nationalliberalen und die 
Freisinnigen spendeten starken Beifall, sondern auch die Konser- 
vativen; das Zentrum schwieg. 
Wie sollte sich der Kanzler zu dieser das ganze Zentrum tief 
berührenden Szene stellen? Er konnte, ohne sein Ansehen zu schä- 
digen, nichto anderes tun, als den Draufgänger Dernburg und seine 
temperamentvolle Abwehr ungerechtfertigter Pressionen zu decken und 
gutzuheißen. Aber ein Bruch mit dem Zentrum ward noch nicht 
sichtbar. In der Offentlichkeit war der Eindruck der Kampfszene 
im allgemeinen sehr stark, aber in bezug auf die Folgen nicht ein- 
heitlich. Der Germania war es ein Rätsel, warum der neue Herr 
einen so scharfen persönlichen Zusammenstoß herbeigeführt habe. 
Protestantische Kulturkämpfer sprachen von einem Gefühl der Be- 
freiung, das durch das Land gehe! Alte liberale Gegner des Fürsten 
Bülow sahen voraus, daß die Geschichte doch wieder mit einem 
faulen Frieden zwischen dem vermeintlich innere Krisen scheuenden 
Kanzler und der auf die Erhaltung ihrer parlamentarischen Macht 
bedachten Zentrumspartei enden würde. 
Dem Reichstage lagen zwei Nachträge zum Haughalt vor. 
Der eine verlangte von neuem den schleunigen Bau der Bahn Kubub 
— Keetmanshoop, der andere 29 220000 Mark als Restausgabe 
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