Full text: Um den Kaiser.

Jugendeindrücke Wilhelms II. ins Auge faßt. Die Verdunkelung 
des Sternes der Hohenzollern beim Ausgang Friedrich Wilhelms IV., 
die noch während der Regentschaft und in den ersten Jahren König 
Wilhelms anhielt, konnte dem kindlichen Prinzen nicht zum Bewußt- 
sein kommen. In die Seele des noch nicht achtjährigen Knaben aber 
fiel die Siegesnachricht von Königgrätz. Die Phantasie des nur 
vier Jahre älteren wurde durchglüht von einem Ereignis, das auch 
festere Gemüter entflammte: Sedan! Der Zwölfjährige hörte zu 
sich sagen, daß auch er von der Vorsehung auserlesen wurde, deut- 
scher Kaiser zu sein, Träume der Erneuerung versunkener Geschichts- 
herrlichkeit wahr zu machen. Der ernüchternde Blick in die wirk- 
lichen Hergänge bei der Wiederherstellung des Reiches war dem 
jugendlichen Kronanwärter verschlossen. Er fühlte nur: alle Hinder- 
nisse seien zerronnen vor dem Monarchen, dem er später den Bei- 
namen des Großen zu verleihen suchte, und vor dem gewaltigen Bis- 
marck. Diesen hat er anfangs ohne Arg und Falsch bewundert, 
aber doch nicht so sehr als den nach seinem politischen Wert erkann- 
ten Staatsmann der deutschen Nation wie als ein von höherer Macht 
erkorenes Rüstzeug zum Nuhm der Hohenzollern. Daß der Haupt- 
anteil an Deutschlands damaligen Erfolgen, an dem unerhörten Auf- 
stieg des regierenden Hauses, dem kaiserlichen Großoater gebühre, 
entsprach nicht bloß dem unerfahrenen Empfinden des Prinzen Wil- 
helm, er konnte dies in höfischer Umgebung auch von anderen hören. 
Dem Fürsten Bismarck, der wohl spürte, von wieviel dynastischer 
Empfindlichkeit er umlauert blieb, der bis zu seinem Rücktritt für 
die Ubermacht der eigenen Größe Nachsicht erwirken mußte, ge- 
nügte es, in den Gesinnungen dee jungen Prinzen, den er früh als ge- 
lehrigen Schüler und erst spät als herrschsüchtigen Legitimisten er- 
kannte, lange Zeit unbestritten die zweite Stelle einzunehmen. Bald 
nach der Entlassung Bismarcks kam von Wilhelm II. ein amtliches 
Schriftstück, worin der Fürst als Gründer des Reiches bezeichnet 
war, mit der verblüffenden Bemerkung zurück: „Das ist Großpapa 
gewesen!“ Eine Umformung der geschichtlichen Rolle Wilhelm des 
Erstien durch die Familientradition steigerte sich in späteren Außerun- 
gen seines Enkels bis zur Annahme geheimnisveller Unmittelbarkeit 
  
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