306 Paul Schoen, Die Verordnungen.
sie ihnen in irgendeiner Weise, durch besondere Zufertigung oder durch den Abdruck in von der
verordnenden Stelle bestimmten Blättern, die sie zu halten verpflichtet sind, amtlich bekannt-
gegeben ist. Natürlich ist eine allgemeinere Bekanntgabe von Verwaltungsverordnungen darum
nicht unzulässig. Sie findet in der Praxis sogar regelmässig statt, wenn die Verordnungen für
weitere Kreise ein Interesse haben, wie z. B. die gesetzauslegenden Anweisungen der Zentralbehörden
und die Anstaltsordnungen. Auch kann selbstverständlich bei Verwaltungsverordnungen ebenso
wie bei Rechtsverordnungen eine Publikation im oben angegebenen Sinne stattfinden oder gar
vorgeschrieben sein.?)
VI. Die Verordnungen sind regelmässig mehrfachen Kontrollen unterworfen. Zu-
nächst kann die höhere Verwaltungsbehörde alle Verordnungen der ihr untergeordneten auf ihre
Recht- wie ihre Zweckmässigkeit prüfen und, soweit sie nicht gesetzlich in dieser Aufsichtsbefugnis
beschränkt ist, für rechts- oder zweckwidrig befundene Verordnungen der untergeordneten Be-
hörde aufheben. Sodann unterliegen, sofern nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist — wie
in Preussen bezüglich der königlichen Verordnungen, deren Gültigkeit nur von den Kammern
geprüft werden darf (Verf.-Urk.-Art. 106), oder in Oldenburg, wo die gleiche Bestimmung für
alle gehörig verkündeten Verordnungen gilt (Verf.-Urk.-Art. 141 $ 2) — alle zur richterlichen
Kognition gelangenden Verordnungen der richterlichen Nachprüfung hinsichtlich ihrer materiellen
wie formellen Gesetzmässigkeit. Stellt sich heraus, dass diese nach der einen oder anderen
Richtung hin nicht vorhanden ist, so hat der Richter der Verordnung die Anwendung im vor-
liegenden Falle zu versagen; der formelle Fortbestand der bemängelten Verordnung wird durch
solche richterliche Feststellung ihrer Gesetzwidrigkeit jedoch nicht berührt.
VII. Jede Verordnung kann abgeändert oder aufgehoben werden
a) durch ein formelles Gesetz, b) soweit nicht etwas anderes bestimmt, z. B. im delegierenden Gesetze
angeordnet ist, dass die einmal erlassene Verordnung nur im Wege der Gesetzgebung abgeändert
werden darf, durch eine neue Verordnung dessen, der die erste erlassen hat, c) durch die der ver-
ordnenden Stelle vorgesetzte Behörde.
VIII. Nach Entwickelung dieser allgemeinen Grundsätze über die Verordnungen ist für die
wichtigsten Arten derselben in einzelnen noch folgendes zu bemerken:
1. Dienstanweisungen, Instruktionen oder Reglements d.h. An-
weisungen über den formellen Dienstbetrieb wie über die Anwendung und Auslegung der Gesetze
kann jede Verwaltungsstelle ohne besondere Ermächtigung an die ihr untergeordneten Verwaltungs-
behörden und Beamten erlassen. Dieses Recht sowie die Pflicht der angewiesenen Stellen, solchen
Anweisungen nach zu handeln, folgt aus der Über- und Unterordnung der Verwaltungsorgane; die
Beobachtung solcher Anweisungen ist Prästierung des dienstlichen Gehorsams, ihre Nichtbefol-
gung kann disziplinarisch geahndet werden. Für die Untertanen gelangen diese Anweisungen nur
mittelbar zur Wirksamkeit, indem die Verwaltungsbehörden sich bei ihrer Tätigkeit nach ihnen
richten. Die Gerichte sind an die in solchen Anweisungen enthaltenen Gesetzesauslegungen nie
gebunden, da sie zur selbständigen Auslegung der Gesetze berechtigt wie verpflichtet sind. Und
darin liegt der politische Grund dafür, dass gesetzauslegende Anweisungen regelmässig nicht von
dem Landesherrn selbst, sondern von den Behörden, besonders von den Ministern, erlassen werden; die
stets mögliche Reprobierung der in ihnen gegebenen Auslegung durch die Gerichte schädigt zu
leicht das Ansehen der höchsten Stelle. In älterer, namentlich vorkonstitutioneller Zeit begegnen
®) Wenn z. B. in mehreren deutschen Einzelstaaten gesetzlich schlechthin vorgeschrieben ist, dass landee-
herrliche Verordnungen in der Gesetzsammlung zu publizieren sind, so gilt dieses auch für die landesherrlioben
Verwaltungsverordnungen. Und wenn die oben gen. Präsidial-Vdg. 26. Juli 1867 bestimmt, dass „sämtliche An-
ordnungen und Verfügungen“ des Kaisers im Reiohagesetzblatt verkündet werden sollen, so gilt dieses gleich-
falle wie für die Rechts- auch für die Verwaltungsverordnungen. Allerdings werden reine Verwaltungsverord-
nungen, selbst wenn gesetzlich ihre Publikation durch das Gesetzblatt vorgeschrieben ist, für Behörden und Be-
eamte, an die sie sich richten, infolge ihrer dienstliohen Gehorssmapflioht auoh ohne diese Publikation verbindlich,
sobald sie ihnen nur im Dienstwege bekannt gegeben sind; vgl. unten unter VII, 1.