2 Georg v. Below, Deutschkonservative und Reichspartei.
bunden mit den romantischen Ideen und durch sie modifiziert. Überhaupt treten jetzt die ständi-
schen und die absolutistischen Aspirationen nicht einfach in der alten Gestalt hervor. Alles erhält
einen neuen Zusammenhang. Zwischen den ständischen und absolutistischen Gedanken stellen
sich ferner allmählich Ausgleiche und Verbindungen her, freilich unter dauernder Wahrung eines
gewissen Gegensatzes. Eben mit dieser Mannigfaltigkeit der Richtungen ist es gegeben, dass die-
jenigen, die die historischen Verhältnisse erhalten sehen wollten, Änderungen der bestehenden
Zustände nicht schlechthin ablehnten. So sind in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wichtige
Reformen von den alten Mächten, insbesondere der Monarchie und dem Besmtentum, durchgesetzt
worden und zwar mehrfach im Gegensatz gegen die Gruppen, die man als liberale bezeichnen könnte.
Andererseits traten aus den ständischen Konservativen Wünsche auf Einschränkung des absoluten
Regiments hervor und berührten sich hier teilweise mit den Wünschen der Liberalen.
Den grössten Einfluss auf die Ausbildung konservativer Anschauungen im Abendland übte
der Engländer Burke aus. Er war der gefeierte Held der politischen Romantiker. Den Kampf gegen
das liberale Manchestertum des Adam Smith führte der deutsche Romantiker Adam Müller. Vor-
übergehend hat schon in der Zeit der Napoleonischen Herrschaft, als Ausdruck der romantischen
Stimmung, in Preussen eine konservative Zeitung bestanden. Der Redakteur war kein geringerer als
Heinrich von Kleist. Das Programm dieses Kreises gipfelte in den Gedanken: Christentum, Königs-
treue, Schutz historisch gewordener Rechte, Befreiung des Vaterlandes von der fremden Herrschaft.
Wesentliche Ideen der Romantiker übernahm die Burschenschaft. Die burschenschaftliche
Bewegung hatte für die Entfaltung eines politischen Lebens in Deutschland grosse Bedeutung.
Aus ihr sind sowohl namhafte Konservative wie Liberale hervorgegangen. Je nachdem man bei dem
nationalen Moment, das die Burschenschaft so energisch erfasste, die Selbstbestimmung der Nation
mehr nach innen oder nach aussen betonte, gelangte ınan zu liberalen oder zu konservativen An-
schauungen. Früh wurde allerdings der burschenschaftlichen Bewegung, wesentlich durch die
Demagogenverfolgung, eine einseitigere Richtung gegeben.
Bedeutungsvoll für die Entwickelung eines politischen Lebens war weiterhin — wir berück-
sichtigen zunächst die Entwicklung in Preussen — die Regierung König Friedrich Wilhelms IV.
Zwei Streitpunkte treten hier namentlich in den Vordergrund: die kirchliche und die Verfassungs-
frage; auch der kirchliche Streit musste zum grossen Teil innerhalb des Staats durchgekämpft
werden. Es galt, für das positive Christentum, das sich seit den Freiheitskriegen stärker entwickelt
hatte, eine gesicherte Stellung zu erringen gegen den alten Rationalismus, der bis dahin in der Kirche
noch in namhaftem Umfang der beatus possidens war (vgl. den Kampf um die Professuren in der
rationalistischen Theologenfakultät in Helle), und gegen neue Formen des kirchlichen Liberalismus.
Eben in dieser Zeit gewinnt das Programm der Konservativen nach der kirchlichen Seite hin eine
bestimmtere Richtung. In der Verfassungsfrage gingen ihre Anschauungen, wie schon angedeutet,
auseinander: diejenigen, die an absolutistische Gedanken anknüpften, verhielten sich sehr ablehnend,
während die Konservativen ständischer Richtung einen Ausbau der Verfassung für erwägenswert
hielten. Überwiegend traten freilich auch diese in erster Linie für die Rechte des Königtums ein,
und so erschien als allgemeiner Gegensatz der Konservativen und der Liberalen die abweichende
Auffassung von dem Mass der Rechte, die der monarchischen Gewalt zuzuweisen seien.
Neben der Frage der Einführung der Verfassung in den deutschen Einzelstaaten stand
damals die der politischen Einigung des ganzen deutschen Volks. Es ergibt sich schon aus dem vor-
hin Bemerkten, dass die Konservativen der nationalen Idee keineswegs ablehnend gegenüberstanden.
Die Bewahrung deutscher Eigenart war eine ihrer mit grösstem Eifer erhobenen Forderungen.
Die Verbreitung und der Ausbau der nationalen Idee sind von konservativen Forschern und Poli-
tikern schr wesentlich gefördert worden. Aber bei der Wertschätzung, die die Konservativen den
überkommenen staatlichen Gewalten widmeten, bei ihrem legitimistischen Zug vermochten sie
nicht den Übergang zu der Forderung der politischen Zusammenfassung der ganzen Nation zu
finden. Den Nationalstaat sahen sie nicht in dem nationalen Einheitsstaat, sondern in dem der
Nation entsprossenen Einzelstaat. Und sie fanden ja auch, wenn ihnen das Verfassungsideal des
Liberalismus oder gar der Demokratie vorgehalten wurde, darin den Gegensatz nicht bloss gegen
einzelne territoriale Berechtigungen der Fürsten, sondern gesen die gesamte Rechtsordnung, die