Julius Wolf, Die öffentlichen Abgaben in Deutschland. 97
Ermöglichung der Aufbesserung der Beamtenbesoldungen ein Zuschlag zur Steuer eingeführt,
der für physische Personen bei 1200 bis 3000 Mark Einkommen 5 %,. bei 3000 bis
10500 Mark Einkommen 10 %, bei 20500 bis 30500 Mark 20 urd bei über 30500 Mark
Einkommen 25 % erreicht, so dass die Staatssteuer effektiv für die geringsten steuerpflichtigen
Einkommen 0.63 %, für die Einkommen von 30000 Mark 3°/, % und für die Einkommen von
über 100 000 Mark Einkommen 5% beträgt. Kinderreiche Familien geniessen Ermässigung, auch
sonst wird bei Einkommen bis 12500 Mark auf persönliche Verhältnisse Rücksicht genommen.
Die Veranlagung erfolgt auf Grund jährlicher Deklaration der Steuerpflichtigen und der Pıüfung
dieser durch Veranlagungskommissionen. Doch wird angenommen, dass bisher noch erhebliche
Einkommensteile der Steuer entfremdet wurden.) Es ist vor allem der Einführung der Selbst-
deklaration auch für die Vermögen zum Zwecke der Erhebung des Wehrbeitrags und etwa
auch einer anderen Zusammensetzung der Einkommensteuer-Einschätzungskommissionen vorbe-
halten, neue Garantieen vollständigerer Erfassung der Einkommen zu schaffen.
Die Vermögenssteuer ist als Zusatzsteuer, „Ergänzungs“-Steuer zur Einkommensteuer für
das aus Vermögen (von über 6000 Mark) fliessende Einkommen gedacht und beträgt nach Klassen
Y, %/ıo (an der unteren Grenze jeder Klasse, z. B. von 6—8000 Mark 3 Mark). Bei einem Vermögens-
ertrage von 4%, berechnet sie sich darnach von diesem mit 1Y,, bei einem Ertrage von 5% mit
1% desselben. Doch wird seit 1909 auch hier ein, fürs erste vorübergehend gedachter, Zuschlag
von 25 % erhoben.
Die Ertragssteuern sind mit Einführung der neuen Einkommens- und Vermögenssteuer in
Preussen als Staatssteuern in Wegfall gekommen, d.h. sind den Gemeinden überwiesen. Neben Ein-
kommens- und Vermögenssteuer werfen in Preussen einzig die Stempelsteuern und etwa noch die
Erbschafts- und Schenkungssteuer erheblichere Summen ab.
B) Bayern.
Bayern ist Preussen in der Reform seiner direkten Steuern in sehr langem Zeitabstande
gefolgt. Schon 1880/81 von der Regierung geplant, ist die Einführung der Einkommensteuer da-
selbst erst durch Gesetz von 1910 gelungen, gleighzeitig wurden die Ertragssteuern zu Ergänzungs-
steuern umgebildet und demgemäss in ihren Sätzen reduziert. Die neuen Steuern traten 1912 ins
Leben. Doch ist die weitere Umbildung des Steuersystems vorbehalten, sie soll bis Ende 1918 ab-
geschlossen sein und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie unter Ersetzung auch der reduzierten
Ertragssteuern (Grund-, Haus-, Gewerbe-, Kapitalrentensteuern) durch eine Vermögenssteuer nach
preussischem Muster vor sich gehen wird.
Die neue bayerische Einkommensteuer — in Kraft seit 1. Januar 1912 — zieht die Einkom-
men von 600 Mark an zur Steuer heran mit bis zu 5 v. H. ansteigenden Sätzen.
Bayern verfügt auch über eine grosse indirekte, ihm (wie den andern süddeutschen Bundes-
staaten) bei der Reichsgründung vorbehaltene Steuer, jene vom Bier. Seit alters hier vom Malz
erhoben, beträgt die Steuer ziemlich in Uebereinstimmung mit den norddeutschen Sätzen 15 bis
20 Mark pro Doppelzentner Malz, ansteigend mit der Grösse der Brauereien. Neuerrichtete Braue-
reien zahlen (ohne Zeitgrenze, 25 % mehr
C) Sachsen.
Hat Bayern als letzter der grossen Bundesstaaten die allgemeine Einkommensteuer zur
‚Einführung gebracht, so kann Sachsen den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, darin sogar Preussen
vorangegangen zu sein, indem es fast 15 Jahre vor diesem sein direktes Steuersystem auf die Basis
der allgemeinen Einkommensteuer unter Abschaffung der Ertragssteuern bis auf eine, die Grund-
steuer, stellte.
Die Einkommensteuer, seit 1878 wiederholt Gegenstand der Umbildung, lässt die Steuer-
pflicht bereits bei über 400 Mark Einkommen beginnen, unter Anwendung allerdings des niedrigen
12) Vgl. hierzu die ruhig abwägende Darstellung des Frim. v. Zodlitz u. Noukirch („Zur Frage
der Steuerveranlagung“) im „Tag“ v. 7. Dez.
Handbuch der Politik. TI. Anflago. Band II. T