Julius Wolf, Die öffentlichen Abgaben in Deutschland. 108
Auf 100 Mk. direkte Steuer kamen ca. 1907 an indirekter Steuer
bei Nioh tberücksichtigung der bei Berücksichtigung der
Gemeindeabgaben??) Gemeindeabgaben??)
in Deutschland (Reich
und Bundesstasten) . . . ca. 294 Mk. ca. 94 Mk.
in Frankreich ....... ca. 261 „ ca. 190 „
in Grossbritannien . . . . » ca. 147 ca 1 „
Das Bild ist also, je nachdem die Gemeindeabgaben berücksichtigt werden oder nicht, das
völlig entgegengenetzte: Im ersten Falle, bei Nichtberücksichtigung der Gemeindesteuern eia un-
geheures Überwiegen der indirekten Steuern in Deutschlaud, fast zum Dreifachen der direkten,
im anderen Falle, bei Berücksichtigung der gemeindlichen Abgaben, indirekte Steuern nur
ungefähr in der Höhe der direkten, ja sogar weniger wie diese; im ersten Falle in Deutschland
sozial ungünstigere Verhältnisse sogar als in Frankreich, dessen indirekte Steuern von „berüchtigter“
Höhe, dessen direkte Steuern verkümmert sind, im zweiten Falle eine Überlegenheit über Frank-
reich im Punkte der „Steuergerechtigkeit‘ um über das Doppelte.
Die hier mitgeteilten Daten gehören der Zeit knapp vor der Reichsfinanzreform von 1909
an. Sie werden die Wahrheit beiläufig aber auch heute sein, wobei freilich nicht zu übersehen,
dass diese Berechnungen immer nur den ungefähren Stand der Dinge bezeichnen können. Nach
den in der Denkschrift des Reichsschatzsekretärs vom 31. Mai 1913 aus Anlass der Einbringung
der Wehr- und Deckungsgesetze von 1913 berechneten Daten — die genaueren Berechnungsgrund-
lagen werden hier, soweit es sich um Gemeindesteuern handelt, freilich nicht angegeben”) —
kämen, wenn man, wie ich das für erforderlich halte, die Erbschaftssteuer den direkten Steuern,
die sogenannten Verkehrsabgaben den indirekten Steuern zuzäblt, 1911 auf 100 Mark direkte
Steuern an indirekten Steuern
in Deutschland 105 Mark
Frankreich 178 „
England 5 „
Die Verschiedenheit des Ergebnisses gegen oben resultiert unter anderem aus der konse-
quenten Zurechnung der Erbschaftssteuern im zweiten Falle zu den direkten.
Die Daten zeigen im übrigen, dass wenn Deutschland im Punkte der Steuergerechtigkeit
— die direkten Steuern als Repräsentanten der Steuergerechtigkeit gedacht — Frankreich ausser-
ordentlich überlegen ist, es hinter Grossbritannien darin ausserordentlich zurücksteht. Zur
Erklärung muss jedoch gesagt werden, dass es in der Natur der Dinge liegt, dass je mehr ein Land
vermöge seiner Einkommensschichtung, d. h.'des Ueberwiegens der kleinen Einkommen, der aus-
gleichenden Gerechtigkeit im Steuerwesen bedürfte, es ihrer desto weniger teilhaftig werden kann,
weil desto mehr — vermöge der geringeren Leistungsfähigkeit der oberen Klassen — die Steuern
als indirekte umgelegt werden müssen, während je reicher ein Volk, desto ausgiebiger die direkten
Steuern an der Last mit tragen können. Diese Wohlhabenden und Reichen sind aber in der
Gesellschaftsschichtung Grossbritanniens in ganz anderer Stärke als in Deutschland vertreten.
Das Ziffernverhältnis von direkter und indirekter Steuer sagt überdies lange noch nicht
alles zur Bezeichnung des Drucks, der von den Steuern ausgeht. Die einzelnen direkten und
indirekten Steuern sind ja von sehr verschiedener sozialer Wirkung. Wie allgemein bekannt,
:ı) Nach Zaha, Die Finanz:n der Grossmächte, 1908, und Plenge, Die Finanzen der Grossmächte,
in der Zeitschr. f, d. ges. Staatsw. 1908.
°) Auf Grund der ia den „Zusätzen und Berichtigungen‘ zu den Denkschriften zur Reichsfinanzreform
enthaltenen Nachweisungen berechnet.
°2) Die Donkschrift meint nur ausführen zu sollen: ‚Die praktische Feststellung der Gemeindesteuern
ist freilich bei den meisten auswärtigen Staaten überaus schwierig, weil vielfach das Material fehlt oder
lückenhaft ist, Dotationen, Subventionen, Beiträge und dgl. m. hinüber und herüber zwischen den einzelnen
Kategorien der öffentlichen Körperschaften vorkommen und ein schwer zu beseitigendes Hindernis bieten,
vergleichbare Daten zu gewinnen.‘