K. Th. von Eheberg, Die Reichsstenergesetze von 1913. 117
Der Wehrbeitrag wird im $ 1 des Gesetzes als ein einmaliger ausserordentlicher Beitrag
bezeichnet. Er ist wie jede ausserordentliche Steuer eine Zwecksteuer und kann nur aus den Ver-
hältnissen heraus beurteilt werden. Er verdient Anerkennung schon um der Tatsache willen, dass
damit der oft verkündete Entschluss von Regierung und Parlament, keine Ausgaben mehr auf
Anleihen zu übernehmen, es sei denn für werbende Zwecke, ın einem Falle verwirklicht wurde
in dem er auf eine harte Probe gestellt war. War die Anleihe ausgeschlossen, so konnte für die
Aufbringung eines so gewaltigen Bedarfes, nur die Vermögenssteuer in Frage kommen, die in
Deutschland schon seit alten Tagen für die Deckung ausserordentlicher Bedürfnisse Verwendung
gefunden hat. Keiner anderen Steuer konnte ein gleiches zugemutet werden, am wenigsten einer
Kombination von Steuern, die die alten Gegensätze wieder entfacht hätte. Dass der Wehrbeitrag
auch auf das Einkommen ausgedehnt wurde, kann nicht beanstandet werden ; denn es wurde damit
der Tatsache Rechnung getragen, dass die durch die Wehrvorlage bewirkte Sicherung des Reiches
nicht nur den Vermögensbesitzern zu gute kommt. Die Freilassung der Einkommen unter 5000 Mk.
kommt dem Verlangen nach Schonung der schwächeren Steuerkräfte genügend entgegen. Mit
einer einmaligen Vermögens- und Einkommensteuer für den Reichshaushalt können auch
diejenigen sich aussöhnen, die regelmässige Reichssteuern dieser Art für bedenklich halten.
Was dann die Besitzsteuer betrifft, so ist zunächst unbedingt zuzugeben, dass sie den Vorzug
verdient vor den veredelten Matrikularbeiträgen, wie die Regierung sie ursprünglich plante. Wir
halten Matrikularbeiträge überhaupt fürleine wenig empfehlenswerte Art der Bedarfsdeckung
sowohl in Ansehung des Reichs wie der Einzelstaaten und geben einer unmittelbaren Reichssteuer
den Vorzug vor jenen. Gegen die Art der Besteuerung aber kann man manche Bedenken erbeben.
Es wird kaum ausbleiben, dass die Besitzsteuer die weitere Ausbildung der einzelstaatlichen Ver-
mögenssteuern erschwert. Bei den auch in den Einzelstaaten stets wachsenden Ausgaben bildete
der weitere Ausbau der Vermögenssteuer durch höhere Steuersätze, progressive Abstufung und
feinere Fassung des Vermögensbegriffes eine wertvolle Reserve, deren Ausnutzung nun durch den
Zugriff des Reiches eine gewisse Schranke gezogen ist. Allerdings haben sich Regierung und Reichs-
tag bemüht, durch die Form der Steuer solche Bedenken abzuschwächen. Die Steuer ist keine
reine, das ganze Vermögen erfassende Abgabe, sondern eine in dreijährigen Intervallen veranlagte
Steuer vom Vermögenszuwachs. Scheinbar tritt sie nicht in Konkurrenz mit den einzelstaatlichen
Vermögenssteuern. Tatsächlich ist dies aber doch der Fall; wenigstens wird sie so empfunden werden.
Denn sie ergreift Quoten desselben Vermögens, das auch die Einzelstaaten belasten, und sie ist
ihrer Wirkung nach eine alljährlich neben der einzelstaatlichen Steuer zur Erhebung kommende
Reichsabgabe. Wir sind der Meinung, dass man den finanziellen Erfolg auch”’mittels einer allge-
meinen Erbschaftssteuer erreicht hätte, die den Vorzug gehabt hätte, die Vermögenssteuer für die
Einzelstaaten frei zu lassen. Tatsächlich ergreift die Besitzsteuer prinzipiell ja auch die auf An-
kömmlinge und teilweise auch die auf Ehegatten entfallenden Zuwachse und man hat daraus einen
Jahresertrag von etwas über 42 % der Besitzsteuer errechnet. Hätte man auch noch das letzte
Fünftel des Rohertrages den Bundesstaaten abgenommen, das für diese doch keine grosse Bedeu-
tung mehr hatte, so wären weitere 9 Millionen dem Erschaftssteuerertrag zugewachsen. Was dann
noch zu den 95 von der Besitzsteuer erwarteten Millionen feblte, das konnte durch Erhöhung der
Steuersätze und Progressionen und durch eine zweckmässige Gestaltung der Abgaben von Abkömm-
lingen und Ehegatten aufgebracht werden. Das Deutsche Reich hätte dann aus Erbschaften 130 bis
140 Mill. Mk. statt, wie bisher rund 43 und mit Anteil der Bundesstaaten rund 54 Mill. gezogen
und diese Summe wäre nicht unverhältnismässig, wenn man vergleicht, dass Frankreich zur Zeit
370 Mill. Fr. = 296 Mill. Mk., England 26,8 Mill. Pf. St. oder über 540 Mill. Mk. aus ihnen bezieht.
Allein wir wissen, dass es jenseits der Theorie praktisch-politische Verhältnisse gibt, die stärker
sind wie jene und mit denen gerechnet werden muss.
Stellt man sich auf den Boden der sog. Besitzsteuer, so muss man anerkennen, dass sie den
Vorzug verdient vor den von anderen Seiten empfohlenen Arten von Zuwachssteuern. Sie umfasst
den ganzen Vermögenszuwachs, mag er aus Erbschaften, aus rentierendem Vermögen oder aus
Erwerb stammen. Sie erfasst dieselbe Vermögensmasse in der Hand’ des Vermögensinhabers nur
einmal und überlässt das Vermögen, das der Zuwachsbesteuerung unterlegen hat, für die weitere