122 K. Th. von Eheberg, Stenerreformen.
tritt in dieser Zeit neu hervor: die Einkommensteuer. Nach manchen Wandlungen, die hier nicht
verfolgt werden können, wurde sie im Jahre 1803 dem Wesen nach zu einem Ertragssteuersystem
mit einkommensteuerartigen Momenten umgestaltet und blieb als solche, wenn auch mit manchen
Änderungen im einzelnen, bis 1816 bestehen. Sie war der Tribut, den in den Tagen der Not und
nationalen Erhebung die vermögenderen Klassen dem Vaterlande darbrachten. Es wurde hier-
durch und durch die Erhöhung der Luxus- und Verkehrssteuern ein, wenn auch ungenügender,
Ausgleich gegenüber den grossen Opfern geschaffen, die den unteren Klassen durch die starke Be-
lastung des Verbrauchs waren zugemutet worden. Die englische Einkommensteuer ist auch steuer-
geschichtlich insofern beachtenswert, als sie auf die spätere Gesetzgebung auf dem Kontinent
von Einfluss war. Mit Recht ist es dagegen getadelt worden, dass das englische Parlament unter
dem Drucke seiner Wähler die Einkommensteuer sofort fallen liess, als die finanziellen Verhält-
nisse es nur einigermassen erlaubten.
Die folgende Zeit bis zu Beginn der 40er Jahre ist ohne bemerkenswerte Änderungen im
Steuerwesen im engeren Sinne verlaufen. Nach Beseitigung der Einkommensteuer verschob sich
die Steuerlast wieder gewaltig zuungunsten der indirekten Steuern. Es schien, als ob „ein Bruch
mit dem geschichtlich überkommenen Steuersystem, etwa aus politischen, sozialpolitischen, volks-
wirtschaftlichen oder auch nur aus fiskalischen, steuertechnischen Gründen‘ damals doch noch ausser-
halb des britischen Gesichtskreises lag. Wenigstens trugen nur einzelne Änderungen auf dem
Gebiete der indirekten Steuern, besonders die Aufliebung der im Kriege sehr hoch gestiegenen
Salzsteuer, sozialen Rücksichten auf die Konsumenten und Steuerzahler Rechnung“ (A. Wagner).
Aber die volkswirtschaftlichen Verhältnisse und Doktrinen haben zu Beginn der 1840er Jahre tief-
greifende Änderungen und zum Teil völlige Neugestaltungen in der britischen Staatsbesteuerung
herbeigeführt. Sie hängen mit dem Siege des Freihandelsprinzipes zusammen und setzen auf
dem Gebiete des Zollwesens ein.
Schon seit den 20er Jahren waren Erleichterungen im Zollwesen beliebt worden. Mit der
Herrschaft der Wighs und unter Peel als leitendem Staatsmann erfolgte die völlige Abkehr von dem
bisherigen Schutzzollsystem. Was schliesslich an Zöllen verblieb, sind reine Finanzzölle von Ge-
nussmitteln, die, wie Tabak, alkoholische Getränke, Tee, Kakao, Zucker, Südfrüchte u. dergl.,
eine hohe Besteuerung vertragen können. Es waren vorwiegend auch freihändlerische Ideen, welche
eine Vereinfachung des inländischen Akzisenwesens und teilweise auch des Stempelwesens be-
günstigten. Lagen diese schon auf einer Linie mit sozialpolitischen Forderungen, so feierten die
letzteren einen schönen Sieg in der Wiedereinführung und dauernden Beibehaltung der Einkommen-
steuer. Wobei zu beachten ist, dass diese, wenn auch grundsätzlich an ihrer alten Form festge-
halten wurde, doch sofort und namentlich in den späteren Jahrzehnten eine bemerkenswerte Weiter-
bildung erfabren hat. Sie wurde zur Hauptsteuer in der direkten Staatsbesteuerung Grossbri-
tanniens; die noch vorhandenen Reste der alten Landtaxe und die reformierte mässige Haussteuer
von Wohngebäuden haben neben ihr wenig Bedeutung. Weist die englische Einkommensteuer
auch heute noch die Scheidung in 5 Abteilungen nach Art des Ertragsteuersystems auf, so unter-
scheidet sie sich von dem letzteren doch wesentlich zu ihren Gunsten durch die differenzierende
Behandlung der einzelnen Ertragsquellen, den Abzug der Schuldzinsen und die Bemessung der Steuer
nach der Gesamtsumme der Reinerträge. Durch eine weitgehende Befreiung kleiner und eine Er-
mässigung des Steuersatzes bei mittleren Einkommen wurde die früher arg vernachlässigte Schonung
der unbemittelten und wenig vermöglichen Klassen erreicht. Zugleich ist die Einkommensteuer
in steuerpolitischer Beziehung deshalb besonders bemerkenswert, weil sie in Zeiten plötzlich ge-
steigerten Bedarfs, so zur Zeit des Krim- und Burenkriegs, durch die jährlich erfolgende Feststellung
des Steuerfusses das Gleichrewicht im Staatshaushalt mit erhalten half, ohne dass der Kredit
allzuschr in Anspruch genommen zu werden brauchte. Allerdings blieb daneben eine starke Aus-
nützung der Finanzzölle und der Verbrauchssteuern bestellen und mussten auch diese in Kriegs-
zeiten zur Deckung des Staatsbedarfs durch Zuschläge beitragen. Aber, von einer vorübergehenden
Besteuerung auf Getreide, Mehl und Zucker während des Transvaalkrieges abgeschen, handelt
es sich um Genussmittel im engeren Sinne, deren Besteuerung an sich nicht beanstandet werden
kann, und zudem hat man auch bei diesen Steuern begonnen. sozialethische und sozialpolitische
Gesichtspunkte dureh Änderungen in den Steuersätzen zu berücksichtigen.