Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Otto Schwarz, Die öffentlichen Kredite. 145 
  
  
schliesslich auf das Recht auf allmähliche, ja auf Rückzahlung des Schuldkapitals überhaupt, ver- 
zZichtet und lediglich die ordnungsmässige Verzinsung des angeliehenen Kapitals als aus- 
reichend angesehen wurde. 
Durchdie grossen Vorteile, welche der öffentliche Kreditdem Staatswesen gebracht hat, wurden 
in neuerer Zeit mehr und mehr auch andere, dem Staat untergeordnete Gemeinwesen auf 
die Betretung dieses Weges bei Erfüllung ihrer Aufgaben hingewiesen. Vor allem waren es die grossen 
Bevölkerungszentren, die sich im Verein mit den und infolge der politischen Freiheiten, der Ver- 
kehrserleichterungen, der zunehmenden Industrialisierung und Handelstätigkeit des Volkes gebildet 
haben, die grossen Städte, welche im Laufe der letzten Dezennien in ausserordentlichem Masse den 
öffentlichen Kredit benutzt haben, um Bedingungen und Voraussetzungen für Gesundheit und 
kulturellen Fortschritt ihrer Bürger zu schaffen, Massnahmen, die nur grösste Bewunderung 
hervorrufen können. Die Inanspruchnahme des öffentl. Kredits dieser Körperschaften nimmt 
gegenwärtig bereits in einer Weise zu, dass bei gleichem Fortschreiten die Zeit nicht fern sein wird, wo 
der Jahreszuwachs an Gemeindeschulden denjenigen an Reichs- und Staatsschulden überflügeln wird. 
Andere, dem Staate untergeordnete Verbände, wie grössere Kommunalverbände, sodann 
aber auch Kirchen- und Schulverbände, Handelskammern, Innungen usw. haben, wenn auch 
vorläufig noch in bescheidenerem Masse, sich ebenfalls den öffentlichen Kredit zu Nutze gemacht. 
Eine bedeutsame Rolle spielt der öffentliche Kredit ferner schon seit Mitte des vor. Jahr- 
hunderts auf dem Gebiete der Förderung des landwirtschaften Personal- und Meliorationskredits, 
sowie des ländlichen und städtischen Boden(Gebäude-)kredits. Hier haben sich mit staatlicher 
und kommunaler Unterstützung gemeinnützige Kreditunternehmungen gebildet, die auf diesem 
Tätigkeitsgebiete ganz Hervorragendes geleistet haben, noch leisten und vielfach bahnbrechend 
gewesen sind für private Institute, die sich später in ausgedehntestem Masse ähnlichen Zwecken 
widmeten (Hypothekenbanken). Ausführlicheres über diese Institute ebenfalls in der ersten 
Aufl. 184 ff. 
Bevor wir in die Erörterung der einzelnen Arten von öffentlichen Krediten eingehen, müssen 
wir uns de Verschiedenheiten und Unterschiede zwischen Öffentl. 
und Privatkredit kurz vergegenwärtigen. 
Die allgemeinen Grundbegriffe und Elemente des Kredits und Kreditwesens gelten 
ebenso für den öffentlichen wie den Privatkredit. Aus der verschiedenen Natur und den ver- 
schiedenen Aufgaben der öffentlichen Wirtschaft einerseits und des Privathaushalts andererseits 
folgt indess notwendig eine Anzahl recht wesentlicher Unterschiede zwischen öffentlichem 
und privatem Kredit. Die Staats- wie Gemeindewirtschaft ist nicht wie die Einzelwirtschaft auf 
Erwerb an sich, als Selbstzweck, sondern auf Durchführung gemeinsamer Ausgaben und Be- 
schaffung der Mittel zu dieser Durchführung gerichtet. Der öffentliche Kredit ist daher überwiegend 
Konsumtiv-, der private überwiegend Produktiv- oder Geschäftskredit. Erst in neuerer Zeit, 
wo Staat und Gemeinde vielfach Geschäfte und Gewerbe nach Art privater Unternehmungen be- 
treiben, (Eisenbahnen, Bergwerke, Gas- und Elektrizitätswerke u. s. f.), deren Anlage- und Be- 
triebskapitalien aus Mitteln des Kredits beschafft werden müssen, nimmt auch der Produktivkredit 
im öffentl. Kredit eine grössere Rolle ein. Aber auch in diesen Fällen soll die aus dem Produktiv- 
unternehmen gewonnene Rente nicht zur blossen Vermögensvermehrung, sondern zur Verminderung 
der allgemeinen Steuerlasten dienen. Andererseits muss da, wo ein solches Unternehmen unrentabel 
wird oder mit Defizit arbeitet, der Steuerzahler helfend eintreten, um die erforderliche Zins- und 
Tilgungslast zu decken. Die Sicherheit des Gläubigers besteht daher beim öffentlichen Kredit in 
letzter Linie nicht wie beim Privatkredit in der Rentabilität des Unternehmens. sondern in 
der Zahlungskraft und Leistungsfähigkeit der Steuerzahler. Daneben liegen nicht un- 
wesentliche Garantien für den Gläubiger in der Qualität der verwaltungsfühbrenden Beamten 
und in den öffentlichen Kontrollen der Verwaltung. 
Weitere Unterschiede zwischen öffentlichem und Privatkredit folgen aus dem Umstande, dass 
Stast und Gemeinden „ewige'‘ Wesen sind, deren Bestand begrifflich ein dauernder ist, weshalb 
Handbuch dor Palitik. II. Auflage. Band IL. 1 
 
	        
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