Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Otto Schwarz, Die öffentlichen Kredite. 147 
  
geldes zuzuzählen, da sie uneinlösbar sind und ein Zwang zu ihrer Annahme im Privatverkehr nicht 
stattfindet. Dagegen werden sie ($5aa0) bei allen Kassen des Reichs und sämtlicher Bundesstaaten 
nach ihrem Nennwerte in Zahlung angenommen (Steuerfundation) und von der Reichshauptkasse 
für Rechnung des Reichs jederzeit auf Erfordern gegen baares Geld eingelöst. Auch gelten sie als 
Teil des Barvorrats im Sinne des $ 17 des Reichsbankgesetzes vom 14. März 1875. (R. G. Bl. 8. 177). 
Sie wurden ursprünglich in Höhe von 5,20 und 50Mark ausgegeben.3) Durch Ges. v.5. Juni 1906 
(R.G.Bl. S.730) wurden sodann, um den durch Gesetz v. 20.2.1906 (R.G.Bl. S. 318) neu geschaffenen 
kleinen Banknoten von 20 und 50 Mark keine Konkurrenz zu bereiten, an Stelle der alten Reichs- 
kassenscheine neue Scheine zu 5 und 10 Mark ausgegeben (nach Bundesratsbeschluss v. 28. 6. 1906 
30 Mill. M. 5 M.- und 90 Mill. M. 10 M.-Scheine). 
Neuerdings findet auf Grund des Reichsgesetzes v. 3. 7. 1913 eine Vermehrung der 
Reichskassenscheine um 120 Mill. M. statt. Bisher ist indessen nur 'ein Teil dieser Scheine aus- 
gegeben. Gegenwärtig (Dez. 1912) sind im Umlauf: 5 M.-Scheine: 41,5 Mill., 10 M.-Scheine: 
150.9 Mill., 20 M.-Scheine: 0,7 Mill., 50 M.-Scheine: 0,9 Mill. Zus. 195 Mill. M. Das Staats- 
papiergeld wird voraussichtlich erst im Falle eines Krieges wieder eine Rolle zu spielen haben 
(sog. Darlehnskassenschein-Ges. v. 21. 7. 1870). . 
2. Schwebende Staatsschulden. 
Die Schwebenden Schulden beruhen auf dem Gedanken und der praktischen 
Erfahrung, dass in einem grossen Finanzwesen vielfach die Eingänge der im Budget vorgesehenen 
Einnahmen später erfolgen, als die daraus zu deckenden Ausgaben notwendig werden, und dass 
die Betriebsfonds der Kassen (eiserne Bestände) zu grosse Summen und damit einen zu grossen 
Zinsverlust verursachen würden, wenn man lediglich aus ihnen den notwendigen zeitlichen Ausgleich 
herbeiführen wollte. Daraus geht zugleich hervor, welche grosse Bedeutung eine einheitliche wohl- 
geleitete Kassenverwaltung, ein möglichst viel Bargeld sparender Zahlungsverkehr indirekt auf 
die Niedrighaltung der schwebenden Schuld ausüben kann. Das vollkommenste System stellt, 
unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, das englische und belgische dar, wo die National- 
bank zugleich als Staatskasse fungiert, wo alle Staatseinnahmen von dieser vereinnahmt, alle 
Ausgaben von ihr geleistet werden. Bei uns im Reiche ist die Reichshauptkasse zwar auch nur eine 
besondere Buchhalterei der Reichsbank. Doch bestehen daneben noch eine Anzahl Sonderkassen, 
deren Kassenfonds nicht durch die Bücher und Kassen der Reichsbank gehen, sondern die nur 
von den Reichshauptkassen nach Bedarf mit Geldmitteln ausgestattet werden und ihre Über- 
schüsse an sie abführen (Generalmilitärkasse, Legationskasse usw.). 
Infolge des Bedarfs dieser von der Reichshauptkasse zu versorgenden Sonderkassen und 
auch für die Zwecke etwaiger Vorschüsse an die Landeskassen für die von ihnen auf Rechnung 
des Reichs geführten Verwaltungen sind heute immer noch Betriebsfonds (Eiserne Bestände) in 
Höhe von 132,6 Mill. M. (Ende 1911) in den Reichskassen nötig. 
Auch in Preussen und den anderen Bundesstaaten sind zwar die Staatskassen meist an die 
Reichsbank und die Privatnotenbank des betr. Landes, (Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden) 
angeschlossen. Bei der Vielzahl von Kassen sind aber trotz Durchführung des Prinzips der Kassen- 
einheit im allgemeinen auch hier noch erhebliche Betriebsfonds erforderlich z. B. in Preussen 
etwa 140 Mill. M. 
All’ diese Betriebsfonds können schon ihrer Natur nach nur für die nötigsten nor- 
malen Bedürfnisse der Kassenverwaltung ausreichen. 
Sobald dagegen ein ausserordentlicher Bedarf eintritt, wie er z. B. in Reiche 
hervorgerufen wird durch erforderlich werdende Ausgaben des noch nicht, genehmigten ausser- 
ordentl. Etats, durch Nachtragsetats, durch eine — in früheren Jahren üblich gewesene — 
Stundung eines Teiles der nichtgedeckten Matrikularumlagen, Nichtgenehmigung von Steuer- 
%) Infolge des Reichsges. v. 21.7. 84 (R.G.Bl, 172) wurden die mit Datum v. 11. 7. 74 ausge- 
fertigten Reichskassenscheine eingezogen und neue angefertigt. 
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