Otto Schwarz, Die öffentlichen Kredite. 149
4%, Schatzanweisungen, in 4 Serien zu je 20 Mill. M,, fällig in 4-5 Jahren, Begebungspreis:
994%. Die Begebung erfolgte — was vielen Tadel erfuhr — zur Schonung des einheimischen
Marktes in New-York, von wo übrigens bald wieder ein Rückfluss in die Heimat stattfand.
Gegenwärtig hat das Reich 200 Mill. derartiger Schatzanweisungen ausgegeben (zu 4 %).
Was den Charakter dieser Schatzenweisungen anbetrifft, so werden sie von der Reichs-
finanzstatistik den schwebenden Schulden zugerechnet, obgleich sie im letzten Grunde nichts anderes
als eine feste langfristige Schuld sind, die nur in kurzfristiger Form aufgenommen wurde. Das
sieht man deutlich daran, dass sie bei Verfallzeit meist immer wieder durch Schatz-
anweisungen eingelöst eind.‘)
Die Ausgabe dieser Schatzanweisungen erfolgt in der Regel gar nicht in der Absicht, aus
künftigen Einnahmen wieder eingelöst zu werden, sondern um den in Folge der allgemeinen Wirt-
schaftslage oder mit Reichs- und Staatsanleihen bereits übersättigten Kapitalmarkt augenblicklich
zu schonen. Sie bereiten also vielfach nur neuere weitere feste Anleihen vor.?)
Die gesetzliche Ermächtigung des Reichsschatzsekretärs zur Wahl dieser Form der Schuld-
aufnahme für Zwecke, die sonst im Wege von Reichsanleihen gedeckt werden, ergibt sich einmal aus
der neueren Fassung der Reichsanleihegesetze, sowie ferner aus einer Vorschrift der Reichsschulden-
ordnung v. 19. März 1900, $1, wonach die im Wege des Kredits auf Grund des ausserordentl. Etats
zu beschaffende Geldsumme entweder durch Aufnahme einer verzinslichen Anleihe oder durch
Ausgabe von Schatzanweisungen zu erfolgen hat. Durch die Nov. v. 22.2. 1904 wurde dann hinzu-
gefügt, dass diese Ermächtigung zugleich die Befugnis in sich schliesse, Schatzanweisungen durch
Ausgabe von neuen Schatzanweisungen und von Schuldverschreibungen in dem erforderlichen
Nennbetrag einzulösen.
Preussen ist dem Vorgange des Reiches gefolgt und hat seit 1907 zum ersten Male
200 Mill. 4% bis 1. Juni 1912 laufender Schatzanweisungen ausgegeben, die nicht zur vor-
übergehenden Verstärkung der Betriebsfonds, sondern zur Begebung von bereits genehmigten An-
leihekrediten dienten. Gegenwärtig sind 635 Mill. derartiger Sch. ausgegeben.
C. Feste, fundierte Schulden.
1. Feste oder fundierte Reichsschuld.®)
Die 770 Mill. M. Schulden des Norddeutschen Bundes und die aus Anlass des
Krieges aufgenommenen Schulden waren bereits 1873 fast restlos gedeckt.. 1875 wurden sie
noch mit 45000 Mark angegeben. Sie sanken bis 1902 dann weiter bis auf 17700 Mark, welche
Ende 1902 verjährt waren.
Die erste Anleihe des neuen Deutschen Reiches wurde 1875°) zu Marinezwecken bewilligt,
aber zunächst nicht begeben, da die Einnahmen aus der Kriegskostenentschädigung noch zur
Deckung hinreichten. Erst im Jahre 1877 wurden die ersten Reichsschuld hreibungen aus-
gegeben. Es handelte sich dabei um 43 Mill. Reichsanleihe zu 4 %, die im Wege der öffentl.
Subskription dem Publikum zum Kurse von 94,60 %, angeboten wurden. Seitdem erhöhte sich
©) Durch R.Ges. betr. Aenderung des Reichsschuldenwesens v. 22. 2. 1904 (RGBl. S. 66) ist es aus-
drücklich für zulässig erklärt worden, dass bei Fälligwerden von Schatzanweisungen und zu ihrer Einlösung
erforderlichenfalla — ohne spezielle Ermächtigung — neue Schatzanweisungen ausgegeben werden. Erst in
neuester Zeit hat man angefangen, fällig gewordene derartige Schatzanweisungen wenigstens teilweise nicht
zu erneuern.
?) So diente die 1912 ausgegebene Anleihe des Reiches in Höhe von 80 Mill. zur Aufnahme einer
fundierten Schuld an Stelle früherer Schatzanweisungen.
®) Den festen und fundierten Schulden zuzurechnen sind auch die Garantieschulden, d.h.
Schulden anderer Korporationen, Gesellschaften oder Institute, für welche Reich oder Staat die Garantie der Zins-
Tilgungszahlung pp. übernommen haben. Auch sie bedürfen im Verfassungsstaate eines Gesetzes. (R.V.A. 73,
Pr.V.U.A. 103.) Im allgemeinen spielen diese Schulden keine finanziell bedeutende Roll.
%R.G. v. 27.1. 1876. RGBI. S. 18.