Otto Schwarz, Der Kurs der deutschen Reichs- und Staatsanleihen. 169
belastung und grosse Pfandbriefemissionen von Jahr zu Jahr den staatlichen Schuldpapieren
sehr erhebliche Konkurrenz bereitet.
Vor allem kommen die „öffentlichen Kredite derLandschaften,Landeskredit-
institute,Rentenbanken usw. als Konkurrenzpapiere in Betracht, weil diesen Papieren
wie den Staatspapieren das Recht der Mündelsicherheit eingeräumt ist.
Von den privaten Hypothekenbanken sind nur etwa 4 Milliarden Pfandbriefe (der
süddeutschen Staaten) mit dem Rechte der Mündelsicherheit begabt. Aber auch die nicht mündel-
sicheren Pfandbriefe (etwa 5—6 Milliarden) machen, namentlich infolge der grossen Pflege, welche
die Hypothekenbanken ihren Pfandbriefen angedeihen lassen, den Staatspapieren recht erheb-
liche Konkurrenz.
Endlich sind noch alle diejenigen Hypothekenanlagen als Konkurrenten der Staatspapiere
zu nennen, die nicht von Hypotheken- pp. Instituten und von Sparkassen, sondern von Privaten,
Mündelgeldverwaltern, Stiftungen pp. direkt gewährt werden, deren Summe schwer festzustellen
ist, die man aber nach den Eberstadt’schen Schätzungen von 1901 (der deutsche Kapitalmarkt
S. 231) verbunden mit der seitherigen Zunahme, wie sie amtliche Statistiken aufweisen, gegenwärtig
auf etwa 40—45 Milliarden Mark schätzen kann.
Neben Pfandbriefen und Hypotheken sind es namentlich diekommunalen Inhaber-
papiere,deren Beträge in Deutschland absolut und relativ in fortwährendem Wachsen be-
griffen sind und welche den Staatspapieren immer ernstere Konkurrenz machen. _
Man wird die zunehmende Verschuldung unserer Gemeinden, namentlich unserer grossen
Städte, nicht in Grund und Boden verdammen dürfen. Die grossen Aufgaben, die diesen Körper-
schaften aus der oft rapide steigenden Bevölkerungszahl, der enormen Entwickelung des wirtschaft-
lichen und Verkehrslebens, den Anforderungen der Hygiene, Volkswohlfahrt und Sozialpolitik
erwachsen, sämtlich aus laufenden Mitteln zu bestreiten, würde eine unlösbare Aufgabe sein.
Aber auch hier gilt es, das richtige Augenmass nicht zu verlieren.
Bei unserer gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Lage wird man zwar von einer
Überverschuldung der Gemeinden nicht sprechen können, zumal etwa die Hälfte der kommunalen
Schulden für rentable, Überschüsse abwerfende Gemeindezwecke gemacht sind (1908 entfielen bei
den preussischen Städten mit mehr als 25000 Einwohnern 52,,% der Schulden auf gewerbl. Unter-
nehmungen) und viele Gemeinden über erhebliches Gemeindevermögen verfügen. Zeiten rück-
läufiger Konjunktur und politischer Krisen, die nicht ausbleiben dürften, werden aber kommenden
Generationen die gewaltige Gemeindeschuldenlast vielleicht weit drückender fühlbar werden lassen,
als dies die schuldenbewilligenden Stadtväter sich heute träumen lassen. Das Recht der staatlichen
Aufsichtsbehörde, findet leider Schranken in dem städtischen Selbstverwaltungs- und Selbstbestim-
mungsrecht, die nicht so leicht zu überwinden sind, wie dies der Theoretiker oft glaubt und der
Praktiker wünschen möchte. Wie in Reich und Staat, so müssen auch in den Gemeinden vor
allem die Vertreter der Steuerzahler sich mehr bewusst bleiben, dass Ausgaben leichter
bewilligt als gedeckt sind, dass die Gemeinwirtschaft nicht Selbstzweck ist und dass sie
nicht auf Kosten der Einzelwirtschaften zu sehr aus dem Vollen
leben darf.
Eine in neuerer Zeit immer mehr hervortretende Erscheinung auf dem Kapitaln:arkte der
festverzinslichen Papiere in England und Deutschland ist endlich die Zunahme der Industrie-
obligationen. Sie werden bei uns auf bereits 3—4 Milliarden M. geschätzt, nach neuerer amt-
licher Statistik kommen 3,, Milliarden M. in Frage, wobei allerdings auch die Obligationen anderer
als industrieller Erwerbsgesellschaften oder Privatbetriebe miteingerechnet sind. Für eine
Einschränkung der Industrieobligationen bringt man namentlich die Einholung staat-
licher Genehmigung und ferner eine besondere Couponsteuer (1—11%%) in
Vorschlag, Vorschläge, die aber nicht empfohlen werden können.
Insgesamt stellt sich die Höhe der öffentlichen Kredite in Deutschland gegenwärtig auf
37—38 Milliarden Mk. und die Summe der festverzinslichen Obligationenschuld (öffentl. wie
privater Schuldner) auf nicht weniger wie 47—48 Milliarden Mk.