Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Friedrich Zahn. Das Deutsche Volk. 205 
Millionen auf die im Betrieb des Mannes oder Vaters mithelfenden Familienangehörigen. Aber die 
verbleibenden 2,8 Millionen repräsentieren die Zunahme der sonstigen, der eigentlichen Arbeiter. 
Von der Gesamtheit der erwerbstätigen c-Personen („Arbeiter“) in Höhe von 19,80 Millionen sind 
nach der Berufszählung von 1907: 4,29 Millionen mithelfende Familienangehörige (c1-Pers.), 
6,92 Millionen Gesellen und Gehilfen mit Vorbildung sowie (in der Landwirtschaft) Knechte 
und Mägde (c2) und 6,02 Millionen Hilfspersonen ohne Vorbildung (c3 bis c5). Die eigentliche 
Arbeiterschaft, also alle c-Personen mit Ausnahme von cl (mithelfenden Familienangehörigen), 
umfasst 15,52 Millionen. 
An der Mebrung der Lohnarbeiterschaft sind alle drei materiellen Berufszweige, Landwirt- 
schaft, Gewerbe und Handel, beteiligt, und zwar die männliche wie die weibliche Arbeiterschaft. 
Nur in der Landwirtschaft ist ein Rückgang der männlichen Arbeiter, die anderen Berufen sich zu- 
gewendet haben, zu konstatieren, während die Zunahme der weiblichen Kräfte in der Landwirt- 
schaft wesentlich durch Familienangehörige bewirkt ist, deren Zahl — teils aus formalen Gründen, 
teils infolge stärkerer Heranziehung der weiblichen Famili gehörigen — sich fast verdreifacht hat. 
Das verheiratete Element, das jetzt innerhalb der Arbeiterschaft, speziell innerhalb der 
gelermten, stärker als früher hervortritt, ist vor allem in den Beamtenbetrieben (Post, Eisen- 
bahn, Strassenbahn usw.) und in den Gewerben mit vorherrschendem Grossbetrieb (Montan-, 
Maschinen-, chemische Industrie, Baugewerbe) sehr gewachsen, während der Anteil der ledigen 
Arbeiter in den handwerklichen und ländlichen Kleinbetrieben nach wie vor überwiegt. Diese 
Tatsache verdient für die Bestrebungen, die auf ein gesteigertes Familienleben innerhalb der 
Arbeiterschaft abzielen, besondere Beachtung. 
Was die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs betrifft, so zeigt sich, dass, wer einmal 
Fabrikarbeiter ist, es im allgemeinen auch bleibt, solange ihn nicht seine Körperkräfte im 
Stich lassen; soweit er über diese Stellung hinauskommt, erreicht er es regelmässig in einem 
anderen Wirkungskreis und zumal unter anderen Betriebsverhältnissen innerhalb und ausserhalb 
der industriellen Tätigkeit. Die fachlich Ausgebildeten haben auf jene Selbständigkeit grössere 
Anwartschaft als die Ungelernten. Namentlich in den vorwiegend handwerksmässigen Betrieben 
und Erwerbszweigen haben sie vorzugsweise Chancen auf eigene Selbständigkeit. In grösseren 
fabrikmässigen Betrieben sind auch die gelernten Arbeiter ganz überwiegend auf Verbleib in 
Arbeiterstellung beschränkt; soweit sie sich zur Selbständigkeit emporarbeiten, ist es vorwiegend 
die eines kleinen gewerblichen Meisters. Diese Feststellungen sind von Belang für unsere 
Arbeiterpolitik, insonderheit für die Fachausbildungs-Bestrebung berdies verlassen zahl- 
reiche Arbeiter aus Industrie und Handel (ca. ein Fünftel aller in Betracht kommenden Per- 
sonen) nach dem 40. Lebensjahr diesen Beruf und wenden sich der Landwirtschaft zu, von 
der sie vermutlich ursprünglich hergekommen sind. Sie sind da teils als Lohnarbeiter, zum 
grösseren Teil — dank der vorher erzielten Ersparnisse — als landwirtschaftliche Besitzer tätig. 
Die Angestellten, deren Zahl in den Berufsabteilungen Landwirtschaft, Gewerbe 
und Handel seit 1895 von 600 000 auf 1,3 Millionen stieg, erfuhren ebenfalls grossen Zuwachs in 
allen drei materiellen Berufszweigen an männlichen wie an weiblichen Erwerbstätigen. Die grosse 
Zunahme ist die selbstverständliche Begleiterscheinung der fortschreitenden Betriebskonzentration. 
Letztere stellt erheblich höhere Ansprüche an die geistige Arbeit des Unternehmers, steigert also 
auch das Bedürfnis, die geistige Arbeit des Unternehmers durch die Tätigkeit der technisch und 
kaufmännisch geschulten Beamten zu ergänzen. Die grössere Verwendung von körperlicher und 
mechanischer Arbeitskraft verlangt daher eine grössere Menge auch von Kopfarbeitern im Betrieb. 
Es handelt sich bei diesen Angestellten um sozial und wirtschaftlich — im Vergleich zu den Ar- 
beitern — in gehobener Stellung befindliche Gruppen,) die berufen sind, den Prinzipal zu vertreten 
und ihn in der Leitung des Unternehmens zu unterstützen, anderseits die Arbeiter anzustellen, zu 
beraten und zu führen. Es handelt sich um Personen, die durch besondere Kenntnisse, durch 
  
!) Von der Gruppe der Angestellten, des Verwaltunge-, Aufsichts- und Bureaupersonals im Gesamt- 
umfang von 1,59 Millionen (1807) sind eusgeschieden als technisch gebildete Beamte, Wirtschaftsbeamte: 
170 540, als Aufsichtspersonal: 272175, als Bureau-, kaufmännisch gebildetes Verwaltungspersonal: 322 734.
	        
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