10 Friedrich Zahn, Das Deutsche Volk.
Unterhalts zum Miterwerb genötigt sind. Die Männer wenden sich dabei den neuen von der Technik
erschlossenen und lohnenderen Arbeitsgebieten zu, während die Frauen, im allgemeinen wenig-
stens, die von den Mänriern verlassenen Arbeitsstellen (in der Landwirtschaft) und die von Natur
aus ihnen mehr als den Männern gelegenen Arbeitsverrichtungen übernehmen. Dieser Einzug der
Frauen ins Erwerbsleben wird begünstigt einerseits durch die immer weitere Absplitterung der
Hauswirtschaft, durch die Familienwirtschaft im Bauernbetrieb und im gewerblichen Kleinbetrieb
(die etwa 9/,, aller Familienangehörigen beschäftigen), anderseits durch die Schwierigkeit der
Arbeiterverhältnisse in der Landwirtschaft sowohl wie in der Industrie und durch das Vordringen
der Arbeitsmaschinen, welche so manche gewerbliche Arbeit im Mittel- und Grossbetrieb gegen
früher vereinfachen und so die Frau daselbst festen Fuss fassen lassen.
Was dennäheren Charakter des Frauenerwerbs betrifft, so finden sich
von 9,5 Millionen Erwerbstätigen 1,2 Millionen in selbständiger Stellung, sie haben als solche einen
landwirtschaftlichen Betrieb, ein Gewerbe oder ein Geschäft, sind Erzieherinnen, Hebammen,
Schauspielerinnen, Musikerinnen, Künstlerinnen, Lehrerinnen. Soweit sie der Landwirtschaft,
der Industrie und dem Handel angehören, handelt es sich bei vielen weniger um die Ausübung
eines Berufes als um die Verwaltung eines übernommenen Besitzes seitens der Witwe.
4,4 Millionen von den erwerbstätigen Frauen verrichten Dienste in engster Beziehung zur
Familie. Es sind dies 3,2 Millionen Frauen und Töchter, die im Betrieb des Haushaltungsvorstandes
mithelfen (% der Gesamtzahl der weiblichen Erwerbstätigen!), ferner 1,2 Millionen Dienstboten,
deren Arbeit, wenn auch nicht in der eigenen Familie, so doch anderweitig innerhalb der Familie
sich vollzieht.
Die verbleibenden 3,9 Millionen Frauen und Mädchen sind — abgesehen von 192 619 als
Rechnerinnen, Buchhalterinnen, Kassiererinnen, Diakonissinnen tätigen — gewöhnliche Arbeite-
rinnen und zwar über die Hälfte ungelernt. Von den 3,9 Millionen lässt sich sagen, dass sie bei
ihrem Erwerb dem Haus und der Familie entzogen sind.
Nach Berufen gegliedert, haben die meisten weiblichen Personen in der Landwirtschaft ihren
Erwerb (fast die Hälfte der Gesamtzahl: 4,6 Millionen). 2,1 Millionen arbeiten in der Industrie und
900 000 im Handel und Verkehr. Als Hauptgebiete (mit mehr als 100 000 weiblichen Erwerbs-
tätigen) weiblicher Erwerbstätigkeit sind zu nennen:
Bekleidungsgewerbe
Handelsgewerbe |
Textilindustrie
Gast- und Schank- mit zusammen 2,5 Millionen weiblichen Erwerbstätigen = 84°, aller weib-
wirtschaftsgewerbe lichen Erwerbstätigen von Gewerbe, Handel und Verkehr.
Nahrungs- und Ge-
nussmittelgeworbe
Reinigungsgewerbe
Am geringsten ist der Anteil der weiblichen Erwerbstätigen in den Berufsgruppen:
Maschinenbau
Verkehrsgewerbe
Bergbau
Baugewerbe |
1,2 Millionen sind häusliche Dienstboten, 320 000 sind Aufwartefrauen und Lohnarbeiterinnen
wechselnder Art. Die übrigen 290 000 gehören mit ihrem Beruf zu Gesundheitspflege, zu Kunst,
Theater, Lehrberufen usw.
Mehr noch als für die Charakterisierung der Erwerbstätigkeit der Bevölkerung im allgemeinen
ist für die Darstellung des Frauenerwerbs erforderlich, dass auch der Nebenerwerb berück-
sichtigt wird. Nicht als ob die Frauen, die einen Hauptberuf haben, häufig noch nebenher tätig
wären. Dies ist nur selten der Fall, wenn man von der hauswirtschaftlichen Tätigkeit absieht, die fast
jede Frau und Haustochter in Anspruch nimmt. Zu weiterer Nebenarbeit fehlt es aber den haupt-
beruflich tätigen Frauen an Zeit, Kraft, Bedürfnis und Selbständigkeit. Das Wichtige liegt viel-
mehr darin, dass von den Angehörigen, die in erster Linie in der Haushaltung sich beteiligen, also
mit nur 1 bis 5 weiblichen von 100 Erwerbstätigen überhaupt.