Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Friedrich Zahn, Das Deutsche Volk. 911 
  
vornehmlich von den Ehefrauen und erwachsenen Töchtern, eine ganze Reihe einem Nebenerwerb 
nachgehen. So wurden für das weibliche Geschlecht 3,4 Millionen Nebenberufsfälle (45 % der Ge- 
samtzahl) festgestellt. An diesen sind die Angehörigen und Selbständigen ohne Hauptberuf und 
die Dienstboten mit mehr als /, (2,9 Millionen), die Erwerbstätigen mit Hauptberuf nur mit 
rund 500.000 beteiligt. Dabei sind diese Zahlen Mindestzahlen, da einer vollkommenen Erfassung 
des Nebenerwerbs erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen. 
Indessen reichen die erwähnten berufsstatistischen Daten bei weitem nicht hin, um die 
Bedeutung der Frau für unser heutiges Erwerbsleben gebührend darzutun. Es kommen noch eine 
Reihe von wichtigen unmessbaren Qualitäten in Betracht, die die Frau für unser Er- 
werbsleben hat, Imponderabilien, die sich nicht zur Ziffer bringen lassen. Ich meine den indirekten 
Einfluss, den die Frau auf unser Erwerbsleben übt, der — obschon nur mittelbar — gar nicht hoch 
genug zu bewerten ist. 
Vor allem gehört hierher, was die Frau unserem Erwerbsleben ist, in ihrer Eigenschaft als 
Hausfrau, in ihrem rein hauswirtschaftlichen Beruf. Über die Wichtigkeit einer guten Haushälterin 
und Verwalterin für die Sicherung der Früchte des Erwerbs ist hier kein Wort zu verlieren, ‘sie 
mehrt den Gewinn mit ordnendem Sinn.‘ Eine Aufgabe, die keineswegs einfach; nicht selten ist 
Erwerben leichter als Erhalten. Erfahrungsgemäss führt aller Erwerb auf keinen grünen Zweig, 
wenn die Frau jener Aufgabe nicht gerecht wird. 
In engem Zusammenhang damit steht der hohe Beruf der Frau als Gattin, ihr Beruf, durch 
ein geordnetes, lebens- und liebevolles Heim dem Mann den Kampf ums Dasein zu erleichtern, ihm 
als treuer Kamerad in guten und in bösen Tagen beizustehen, ihn durch Rat und Ermunterung in 
seinen wirtschaftlichen Plänen zu bestärken und zu edler Tat zu begeistern. Die Frau soll die 
Seele des Familienlebens sein, welches Kraftzentralen für das Wirken des Mannes wie für die 
spätere Tätigkeit der Kinder schafft. Sie hat den geistig-sittlichen Besitzstand der Familicngcmein- 
schaft zu pflegen, die durch moralische Lebensführung, Pflichtgefühl, Einfachheit, Sparsamkeit und 
Ordnung vorbildlich wirken und den Kindern Güter übermitteln soll, die wertvoller sind als Geld 
und Besitz. Dieser weibliche Beruf ist bei den heutigen hohen Anforderungen an die Leistungs- 
fähigkeit des Mannes, nicht minder bei der Richtung unserer Sozialgesetzgebung, die dem Arbeiter 
immer mehr Zeit für die Familie schafft, wichtiger geworden als je zuvor und stellt bei der grossen 
Vertiefung und Verfeinerung, die er gegen früher erfahren, an die Frau besondere Ansprüche in 
Bezug auf ihre Lebenstüchtigkeit. 
Gleich hochbedeutsam vom Standpunkt unseres Erwerbslebens, ja geradezu Voraussetzung 
für die heimische Volkswirtschaft, für den Gesamtbestand des Staates, ist der Mutterberuf der Frau, 
die Frau als Mutter und Erzieherin der Erwerbstätigen. Was die Frau in dieser Eigenschaft dem 
Lande leistet, stellt Deutschland unter die Staaten mit hoher Geburtenhäufigkeit. Damit der 
Eifekt dieser Geburtstätigkeit noch mehr als bisher unserer Erwerbskraft zugute kommt, müssen 
die neuzeitlichen Bestrebungen zur Bekämpfung unserer relativ grossen Säuglingssterblichkeit 
energisch gefördert werden, nämlich die Bestrebungen, die sowohl eine bessere Pflege der werdenden 
Mutter wie eine rationellere Ernährung und Behandlung der Säuglinge herbeizuführen suchen, 
und ferner die Bestrebungen, die auf eine gehörige körperliche Entwicklung des beranwachsenden 
weiblichen Geschlechts, unserer künftigen Mütter, Bedacht nehmen. Denn nur bei entsprechender 
körperlicher Tüchtigkeit und bei richtiger Kenntnis von den Pflichten der werdenden Mutter und 
den Aufgaben in bezug auf Säuglingsbehandlung ist die Freude am Mutterberuf denkbar. 
Und diese unserem weiblichen Geschlechte zu erhalten, erscheint in Anbetracht des auch in Deutsch- 
land wabrzunehmenden Rückgangs der Geburtenziffer doppelt geboten: nur Völker mit leistungs- 
fähigen Müttern setzen sich durch. 
Auch was die Frau als praktische Hygienikerin in der Familie leistet, verdient hier Hervor- 
hebung. Es obliegt ihr die Herstellung der Mahlzeiten, die Ernährungsweise der Haushaltsmitglieder, 
die Reinlichkeit des Hauses, die krankheitvorbeugende Hygiene sowie die Pflege im Fall der Er- 
krankung des Mannes oder der Kinder, — alles Arbeiten, von deren geschickter und gewissenhafter 
Erfüllung das Gedeihen und das Glück der Familie ganz wesentlich mit abhängt. Indem sie im 
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