299 Friedrich Zahn, Geburtenrückgang in Deutschland.
108, in Niederbayern auf 110 %/,, beläuft. Es wird m.a. W. mit weniger Brutto-Aufwand in
der Pfalz ein fast gleicher Nettoertrag an zweijährigen Kindern erzielt wie in Niederbayern
bei den dortigen grossen Volksunisätzen.
Umgekehrt qualifiziert sich der Rückgang der Geburtenziffern, inso weiter sich vollzog
unter gleichzeitiger Verbesserung der Aufwuchsziffern, unter gleichzeitiger höherer Lebensfähigkeit
der geborenen Kinder, als willkommener Fortschritt vom Standpunkt der physischen und wirt-
schaftlichen Kraft der Nation. In der Tat wachsen jetzt trotz geringerer Geburtenzahl — dank der
rationeller betriebenen Säuglingsfürsorge — absolut mehr Kinder auf als früher.
So ist für das Königreich Sachsen auf Grund genauer Berechnungen festgestellt, dass bei-
spielsweise von den 149 000 Lebendgeborenen des Jahrgangs 1903 nur 106 500 das 3. Lebensjahr
überlebten, von der um 9000 Kinder kleineren Geburtenmasse (140 000) des Jahres 1908 dagegen
überlebten 108600, also 2100 Kinder mehr das 3. Lebensjahr. Analoges gilt für Bayern. Hier ergibt
z. B. ein Vergleich der Jahre 1896 und 1910, die beide fast die gleich grosse Geburtenzahl hatten,
folgendes Resultat:
Zahl der Lebend- Es überlebten das... . Lebensjahr
geborenen l. 2. 3.
1896 215 652 165 558 157 868 155 368
1910 215 540 172 102 166 189 164 455
1910 gegen 1896 — 112 + 6544 + 8321 + 9087
Auch nach der württembergischen Statistik besteht einstweilen kein Anlass zu pessimisti-
schen Betrachtungen. Württemberg fängt lediglich an, mehr Menschen für den eigenen Gebrauch,
weniger für die Ausfuhr zu produzieren, das gesteigerte Menschenangebot wird dort durch die
Nachfrage nach neuen Menschenkräften nahezu aufgenommen,
Es ist also nicht angängig, die künftige Bevölkerungsentwicklung lediglich an Hand der
gesunkenen Geburtenziffern zu beurteilen. Es kommt wesentlich auch auf den Grad der sinkenden
Sterbeziffer, auf die zwischen Geburten- und Sterbezahl bestehende Spannung, auf das daraus
resultierende Bevölkerungswachstum, sowie auf die Qualität (körperliche und geistige Beschaffen-
heit) des Nachwuchses an. Unter Berücksichtigung der genannten Quantitätskomponenten kon-
statiert die Reichsstatistik, dass die Selbsterhaltung der Nation bei der jetzigen Geburtenzitfer
noch reichlich gesichert ist; sie berechnet an der Hand von 10 deutschen Staaten, deren Geburten-
häufigkeit zum Teil etwas geringer ist als die für den Durchschnitt des Reichs gültige, dass die
Zabl der Geborenen
1881/90 um 36,17 %,
1891/1900 um 44,05 %,
1901/10 um 41,68%
grösser war, als zur Erhaltung der Volkszahl erforderlich. Im Gegensatz dazu reichte 1898—1903
(darüber liegen Berechnungen vor) in Frankreich die durchschnittliche Zahl der Geburten nicht aus,
um die Volkszahl Frankreichs auf ihrer derzeitigen Höhe zu erhalten: Es fehlten 2,47 % Geburten
an der zur Selbsterhaltung notwendigen Zahl.
IV. Bekämpfung des Geburtenrückgangs.
Dass gleichwohl der Erscheinung des Geburtenrückgange nachdrücklich ent-
gegengearbeitet werden muss, gebietet das Interesse unserer wirtschaftlichen und poli-
tischen Macht, das Interesse der nationalen Selbsterhaltung. Es wird sich darum handeln, einer-
seits den Rückgang der Geburtenhäufigkeit aufzuhalten oder wenigstens zu verlangsamen, ander-
seits die Sterbeziffer noch günstiger zu gestalten.
In ersterer Beziehung muss man von den oben erwähnten wirtschaftlichen und pathologischen
Ursachen des Geburtenrückgangs ausgehen und vornehmlich nach diesen selbst, nicht etwa bloss
nach den Symptomen des Geburtenrückgangs die Art der G.genmassnahmen treffen. Gerade weil
die wirtschaftlichen Momente bei der ganzen Frage so stark ins Gewicht fallen, müssen im Zeit-