Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Martin Weigert, Schutzzoll und Freihandel. 241 
theorie, geht aber über Melon einen Schritt hinaus, indem er das Geld hauptsächlich als Zirkulations- 
mittel und weniger als Repräsentant des Reichtums schätzt. 
d) Die deutschen Merkantilisten, wie Caspar Klock (Tractatus nomico-politi- 
cus, de contributionibus 1634 und Tract. de aerario 1651), Veit Ludwig von Seckendorf (Teutscher 
Fürstenstaat 1656), Johann Joachim Becher (Politischer Diskurs 1668) und Wilhelm von Schroeder 
wiederholen die von Serra in Italien und Thomas Mun in England gestellten obenerwähnten mer- 
kantilistischen Grundforderungen, ohne auf Orginalität der Anschauungen wesentlichen Anspruch 
erheben zu können. Sie sind hauptsächlich Staatsmänner, welche die augenblicklichen Staats- 
aufgaben ins Auge fassen und dabei vielfach über das Ziel hinausschiessen. 
3. Die merkantilistische Staatspraxis a) in England, b) in Frankreich, ce) in Preussen, d) in anderen 
Staaten. 
a) Inder Praxis der Staatsverwaltung entwickelte sich die merkantili- 
stische Handelspolitik mit ihren Schutzzöllen, Ein- und Ausfuhrverboten, Prämien, 
Privilegien und Begünstigungen der Handelskonzerne am frühesten inGrossbritannien. Dort 
wurde schon frühzeitig die Ausfuhr von Wolle verboten und mit sehr strengen Strafen bedroht; die 
Ausfuhr von Seiden- und Leinenwaren wurde dagegen durch Prämien gefördert. In der Einfuhr 
begünstigte man den Bezug von Rohstoffen, z. B. den Bezug von Seide aus Asien, verbot jedoch 
die Einfuhr fertiger Seidenwaren und anderer Fabrikate. — Einen besonders folgenschweren Schritt 
zur Bekämpfung der holländischen Handelssuprematie unternahm Cromwell durch die Navigations- 
akte vom 9. Oktober 1651, welche von folgendem Prinzip ausging: Nach England dürfen aus den 
europäischen Staaten eine Anzahl der wichtigsten Waren nur in englischen Schiffen, oder in solchen 
des Ursprunglandes und in letzterem Fall mit doppeltem Zoll eingeführt werden; gewisse schwere 
Waren dürfen nur von dem Ursprungsland nach England kommen. (Damit wurde der holländische 
Zwischenhandel sehr eingeschränkt). Ferner war aller Küstenhandel den englischen Schiffen vor- 
behalten, für alle nicht von britischen Schiffen gefangenen und eingeführten Fische sollen doppelte 
Zölle gezahlt werden. Nach den britischen Kolonien dürfen nur englische Schiffe mit %4 englischer 
Besatzung, in denselben nur englische Faktoren Handel treiben; die Kolonialwaren müssen direkt 
nach England oder anderen englischen Kolonien gebracht werden. Für aus England wieder ausge- 
führte Produkte wurden Rückzölle gewährt. — Dieses System führte eine schnelle und gewaltige 
Erstarkung der englischen Handelsmarine herbei und machte die Kolonien zu guten Absatzmärkten 
des Mutterlandes. Andrerseits verteuerte es jedoch den rasch forzierten Schiffsbau, die Frachten, 
die Matrosenlöhne, die europäischen Waren für die Kolonien und die Kolonialprodukte, die über Eng- 
land nach anderen Staaten gingen. Es schädigte den englischen Handel nach Norwegen, Russland, 
Frankreich und Schweden. Es war von Anfang an nur ausführbar durch zahlreiche Ausnahmen, 
die man in den folgenden Jahrzehnten nach Erlass der Akte bald für immer, bald für Zeit einführte. 
Nach einer Ueberspannung des Systems in den Jahren 1748—1763 wuchsen nach 1789 die zuge- 
lassenen Ausnahmen des Systems noch mehr als von 1660 bis 1748. 
b) In Frankreich wurde die Einfuhr seit dem 16. Jahrhundert langsam mit einigen 
Zöllen belegt; zunächst noch mehr aus fiskalischen als aus Schutzzollgründen. Etwas erhöhte Ein- 
fuhrtarife von 1632 und 1644 mit Schutztendenz hatten keine grosse Bedeutung, da aller Handel 
damals stockte. Erst Colbert brachte die grosse hundertjährige Zollreformbewegung (1664) zum 
Abschluss. Er suchte die noch vorhandenen Fluss- und Lokalzölle zu beseitigen und umgab 1664 
die 5 grosses fermes ( die vereinigten Steuerpachten) mit einer einheitlichen Aussenzolllinie, einheit- 
lichen Ein- und Ausfuhrzöllen, die den zahlreichen bisher getrennten Zöllen entsprachen. Der Taril 
von 1664 enthielt keine Verbote. Die Höhe der Zölle war mässig und betrug meist 65—10% des 
Wertes. — Der Zolltarif von 1667 schraubte jedoch die Eingangszölle so hoch, dass sie fast Ein- 
fuhrverboten gleich kamen; später wurden auch Einfuhrverbote erlassen. Im ganzen hat 
Frankreich von 1683 —1786 die Colbert’sche Handelspolitik beibehalten. Der Handelsvertrag mit 
England 1786 (Edenvertrag) setzte an die Stelle der Einfuhrverbote mässige Zölle, war aber nicht 
lange Zeit in Geltung. Die durch die Kontinentalsperre von 1806 zunächst als Kriegsmassregel 
Handbuch der Politik. II. Aufluge. Band U. 16
	        
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