Georg Eger, Eisenbahnwesen. 367
fliessen sollten. Der Fonds kam aber tatsächlich nicht zustande, vielmehr wurden die von Jahr zu
Jahr steigenden Überschüsse zur Deckung der anderweiten Mindereinnahmen des Staatshaushalts
verwendet. Nach einem wirkungslosen Versuch einen mit 20 Millionen dotierten Fonds der Eisen-
bahnverwaltung zu gründen, wurde seit dem Jahre 1892 wenigstens erreicht, dass eine den Be-
dürfnissen der Eisenbahnverwaltung entsprechende Dotierung des Extraordinariums, des Etats
aus den laufenden Mitteln stattfand. Dadurch wurde ein erheblicher Teil der besonderen Bedürf-
nisse der Eisenbahn aus eigenen Überschüssen gesichert, und ermöglicht, dass Ergänzung des Bahn-
netzes, soweit möglich, aus den laufenden Einnahmen erfolgte.
Andererseits reichte diese Regelung nicht aus, die Nachteile des Schwankens «er Einnahmen
des Eisenbahnetats für den allgemeinen Etat auszugleichen. Dies wurde durch das Gesetz betreffend
die Bildung eines Ausgleichsfonds für die Eisenbahnverwaltung vom 3. Mai 1903 versucht. Der
Ausgleichfonds sollte geschaffen werden aus dem über die gesetzliche Tilgung von 3/5 % noch ver-
bleibenden Überschüsse des Etats bis zu einem Höchstbetrage von 200 Millionen. Der Fonds, der
noch bis zum Jahre 1909 den sogenannten Dispositionsfonds von 30 Millionen zu speisen hatte,
konnte aber nicht ausreichend dotiert werden. Seit dem Jahre 1910 wird (als Versuch auf 5 Jahre)
entsprechend einer Resolution des Landtages dem Ausgleichfonds ausser den rechnungsmässigen
Überschüssen des Staatshaushalts der Betrag des reinen Überschusses der Eisenbahnverwaltung
durch den Etat zugeführt, der 2,10 % des jeweiligen statistischen Anlagekapitals (1909 10 Milliarden
Mark) der preussischen Staatsbahn übersteigt und zwar auch dann, wenn der Fonds den Betrag
von 200 Millionen erreicht hat. Ferner ist gleichfalls einer Resolution des Landtags entsprechend
eine Begrenzung des Extraordinariums vorgesehen. Erweiterungen und Ausbauten können (in Ab-
weichung von dem Grundsatz von 1892) aus Anleihen entnommen werden, wenn dabei das Extra-
ordinarium nicht unter 120 Millionen Mark (oder 1,15 % des Anlegekapitals) sinkt. Muss gleich-
wohl ein höheres Extraordinarium eingestellt werden, so muss der überschiessende Teil auf den
Ausgleichfonds oder auf sonstige Staatsmittel angewiesen werden.
In Hessen ist beim Abschluss des gemeinschaftlichen Vertrages mit Preussen ein Ausgleichs-
fonds gebildet worden, in den ein Teil der Überschüsse fliesst. °
Die Bedeutung der Einkünfte des Eisenbahnwesens für die allgemeinen Staatsfinanzen
ergibt die in der Reichsstatistik enthaltene Gegenüberstellung der Erwerbseinkünfte der Staaten
aus Eisenbahnen und anderen Betrieben des Staates. Nach den Voranschlägen für 1912 betrug in
Preussen der Reinertrag der Staatseisenbahnen 539,954,000 M., gegenüber einem Reinertrag aus
anderen Erwerbseinkünften von 118 000 000M. In Bayern 93 822 000 M., gegen 52 471 000M., in
Sachsen 44 608 000 M., gegen 15 020000 M. In Baden 29 869 000 M. gegen 5479000 M. Im
Deutschen Reich mit seinem geringeren Eisenbahnnetz treten die Einnahmen aus dem Eisenbahn-
wesen erklärlicherweise zurück.
II. Verkehrspolitik.
$5. Das Interesse des Staates erfordert, dass sein Eisenbahnnetz den Anforderungen ent-
spricht, die geeignet sind, sowohl den allgemeinen politischen Interessen wie den Interessen seiner
Bewohner (Förderung der Wirtschaft, Versorgung mit Lebensmitteln) zu dienen. Die Herstellung
einer glatten Abwickelung der Beförderung, sowie die möglichste Verkürzung ihrer Zeitdauer ist
die Hauptaufgabe der staatlichen Verkehrspolitik.
Solange der Eisenbahnverkehr seine jetzige Bedeutung noch nicht erlangt hatte, waren die
Eisenbahnen wie alle anderen Frachtführer lediglich den allgemeinen Normen der einzelnen deut-
schen Landesrechte über das Frachtrecht unterworfen. Wenn nicht zwingende Rechtssätze hier-
nach eine Abänderung der frachtrechtlichen Bestimmungen ausschlossen, setzte die Eisenbahn
selbständig die Bedingungen fest, unter denen sie die Frachtgeschäfte abzuschliessen gewillt war,
und zwar alsbald in der Weise, dass jede Verwaltung für ihren Bezirk und Betrieb allgemeine
Grundsätze aufstellte, auf Grund deren sie sich zum Kontrahieren bereit erklärt. Diese Lokalregle-
ments reichten aber nicht aus, um dem Bedürfnisse des Verkehrs gerecht zu werden. Der Absender
war genötigt, sobald bei einem weiteren Transport die Bahnstrecke der ersten Eisenbahn über-
schritten wurde, mit der anschliessenden Eisenbahn einen neuen Vertrag zu schliessen. Die damit