Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

280 Th. Rehbock, Süddeutsche Schiffahrtspläne. 
  
günstigen Wasserständen an Strassburg vorbei stromaufwärts bis Basel vor, das erst'vor wenigen 
Jahren von dem ersten Schleppzug erreicht wurde und im Jahre 1913 nach Schätzung des Ingenieurs 
Gelpke bereits einen Güterumschlag auf dem Rhein von etwa 100 000 Tonnen erreichen dürfte. 
Wenn diese Verkehrsmenge auch noch klein ist, so muss doch bei ihrer Bewertung berücksichtigt 
werden, dass seither noch so gut wie keine Verbesserungen der Rheinwasserstrasse oberhalb Strass- 
burg im Interesse der Schiffahrt!) ausgeführt worden sind, dass im Gegenteil heute die Schiffahrt 
auf dieser Strecke fast noch mehr als durch die Verhältnisse des Strombettes durch künstliche, in 
Gestalt der Brückenbauten geschaffene Hindernisse erschwert wird. Der Umbau der festen Kehler 
Rheinbrücke und verschiedener Schiffsbrücken ist im Interesse der unbehinderten Weiterführung 
der Schiffahrt nach Basel dringend erforderlich und wird sich auch ohne unüberwindliche Schwierig- 
keiten durchführen lassen. Schwerer wird es sein, die natürliche Ungunst dieser Stromstrecke zu 
bekämpfen, die nicht nur in der bei kleinen Wasserständen unzureichenden Tiefe der Fahrrinne, 
sondern auch in der bei dem starken Gefälle sehr reissenden Strömung besteht. Während die Wasser- 
führung des Rheines genügen dürfte, um nach Durchführung einer Niederwasserregulierung fast 
das ganze Jahr hindurch einen Schiffahrtsweg von ausreichender Tiefe zu schaffen, wird die durch 
einen solchen Ausbau nicht verminderte Strömung wegen des grossen Kohlenverbrauches der Schlep- 
per bei der Bergfahrt den Verkehr dauernd stark belasten. Ein günstiger Umstand ist es daher, dass 
gerade für den das stärkste Gefälle aufweisenden oberen Teil dieser Strecke die Anlage grosser Kraft- 
werke beabsichtigt wird, die dem Rhein zwar einen Teil seines Wassers entziehen, die aber das 
entnommene Wasser auf lange Flussstrecken in Kanälen von grossen Abmessungen neben dem 
Rheinbett herführen und dabei vorzügliche Schiffahrtswege abgeben werden. Das bei den Kraft- 
werken vereinigte Gefälle wird leicht durch Schleusen überwunden werden können. Solche Kraft- 
werke sind bereits für die ganze Flussstrecke von Basel abwärts bis Strassburg geplant. Es unter- 
liegt wohl keinem Zweifel, dass sie in unabsehbarer Zeit auf dieser ganzen Strecke auch zur Aus- 
führung kommen werden. Da aber die Konzession für die Wasserentnahme aus dem Flussbett nicht 
erteilt wird, ohne dass die Ableitungskanäle für die Grosschiffahrt eingerichtet, d. h. mit Schleusen 
in ausreichenden Abmessungen versehen werden, wird voraussichtlich die Schiffahrt auf der Strecke 
Strassburg-Basel im Lauf der Zeit immer mehr und endlich ganz auf diese Kanäle übergehen, soweit 
nicht für die Talfahrt bei genügend hohen Wasserständen der Weg im Flussbett vorgezogen werden 
sollte. Dadurch wird aber für die Strecke Strassburg-Basel ein Schiffahrtsweg geschaffen werden, 
welcher der unterhalb Strassburg vorhandenen Wasserstrasse auf dem freien Rhein wenigstens 
gleichwertig ist. 
Aber auch in Basel darf die Grossschiffahrt auf dem Rhein auf die Dauer keinesfalls Halt 
machen. Ihr natürlicher Endpunkt ist vielmehr im Bodensee zu suchen, dessen ausgedehnte Wasser- 
flächen sich für diesen Zweck hervorragend eignen, zumal die Ufer dieses grossen natürlichen Hafen- 
beckens sich auf nicht weniger als 5 Staaten — die Schweiz, Österreich, Bayern, Württemberg und 
aden — verteilen, die alle bereits heute am Bodensee mit ihrem Eisenbahnnetz verbundene 
Hafenaulagen besitzen. 
Die Bestrebungen, die Rheinschiffahrt aufwärts bis zum Bodensee zu führen, haben denn 
auch in den letzten Jahren eine greifbare Gestalt angenommen. Die Interessenten haben sich zu 
grossen Verbänden zusammengeschlossen, und diese sowie die Regierungen der beteiligten Staaten 
beschäftigen sich mit der Frage der Durchführbarkeit. An der Spitze der Bewegung steht die von 
dem Geheimen Kommerzienrat Stromeyer in Konstanz geleitete „Internationale Vereinigung zur 
Förderung der Schiffbarmachung des Rheines bis zum Bodensee“ in Konstanz und ihre selb- 
ständige Sektion, der „Nordostschweizerische Schiffahrtsverband“. Beide Vereinigungen haben 
zusammen durch den eifrigen Vorkämpfer der Schiffahrtsbestrebungen auf dem Oberrhein Ingenieur 
R. Gelpke einen generellen Vorentwurf für den Schiffahrtsweg ausarbeiten lassen?) und einen 
internationalen Wettbewerb zur Gewinnung eines durchgearbeiteten Entwurfes ausgeschrieben. 
4) Die Regulierung dieser Strecke erfolgte im Interesse der Landeskultur, sie hat allerdings durch die 
Schaffung eines geschlossenen Fiusslaufes mit unveränderlichen Ufern auch der Schiffahrt wesentlich genutzt. 
’) RB. Gelpke. Die Schiffbarmachung des Badisch-Schweizerischen Rheines, Goldach 1908,
	        
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