288 Otto Blum, Wettbewerb zwischen Eisenbahnen und Wasserstrassen.
zwischen Schiff und Eisenbahn (einschliesslich der beim Umladen oft entstehenden Wertverminderung der Güter),
ferner die Kosten für Häfen una Hafenbahnhöfe (obwol:l deren Betriebskosten sehr häufig aus den Hafengebühren
nicht gedeckt sondern aus den Steuern bestritten werden müssen), sodann die Kosten für die Schiffe. Bei dem Vor-
schlag die Seine bis Paris für Seeschiffe fahrbar zu machen, findet sich z. B. in den Berechnungen nichts über den
Kraftverbrauch der Schiffe und die Zinsen und Abschreibungen, die für die sehr langsame Fahrt für die Seeschiffe
selbst zu rechnen sind. — In diesem Zusammenhang ist z. B. auch die Erklarang eines eines früheren preuseischen
Eisenbahnministers unrichtig, in der er ausführte, die Eisenbahntarife könnten für Massengüter nicht ermässigt
werden, eine Herabsetzung der Beförderungskosten sei nur durch den Kana! zu erzielen
Diese Ausführungen zeigen zunächst, wie vorsichtig man bei Vergleichen arbeiten muss, sie
zeigen aber auch, dass Sich die Frage „Eisenbahn oder Wasserstrasse“ allgemein überhaupt
nicht beantworten lässt, sondern dass von Fall zu Fall für jede Strecke zwei vollständige Ent-
würfe (für die Wasserstrasse und für den Neubau oder die Erweiterung der Eisenbahnanlage) nebst
ılen Selbstkostenberechnungen aufgestellt werden müssen.
Im allgemeinen lässt sich nur sagen:
. Grössere, selbständige Kanäle haben nur Sinn, wenn sie für Schiffe von 600 t — besser
800 t, äussersten Falls von 400 t an — Ladefähigkeit geeignet sind und unter günstigen
Verhältnissen gebaut und betrieben werden können.
. Flussverbesserungen können auch schon für gerirgere Ladefähigkeit lohnend sein, wenn
sie geringen Geldaufwand erfordern.
. Besonders geeignet zuın Bau sind kurze Kanäle, die dazu dienen, die einzelnen Teile eines
vorhandenen Wasserstrassennetzes besser mit einander zu verknüpfen.
Ausserdem ist bei den Untersuchungen noch zu beachten:
In Ländern mit Staatsbahnen ist beim Bau von Kanälen unter Umständen eine Schmälerung
der Staatseinkünfte zu befürchten. In Ländern mit Privatbahnen ist die Pflege der Binnenwasser-
strassen ein gutes Mittel, um der Ausplünderung des Volkes durch die Eisenbahn-Machthaber zu
begegnen; das ist z.B. sehr wichtig bei der Beurteilung der nord — Die
Eisenbahn ist für sich als Verkehrsmittel ausreichend, die Binnenwasserstrasse bedarf dagegen meist
der Ergänzung durch eine Eisenbahn, weil sie zur Beförderung von Post, Personen und eiligen Gütern
nicht genügend geeignet ist und weil sie im Winter versagt; für jedes grossgewerbliche Unternehmen
ist z. B. der Eisenbahnanschluss unbedingt nötig, der Wasseranschluss aber nur erwünscht.
— Die Behauptung, die Eisenbahn sei ganz grossem Verkehr nicht gewachsen, ist töricht; bisher hat
sie sich noch jeder Verkehrssteigerung gewachsen gezeigt (mit dieser Behauptung hat man z. B.
den Mittellandkanal begründen wollen). In Ländern, die erst erschlossen werden, kann man
natürlich zunächst mit natürlichen Wasserstrassen, wenn sie leidlich schiffbar sind, auskommen.
Ein Haupterfordernis ist, dass das Eisenbahn- und Wasserstrassennetz auf Grund kühler Be-
rechnungen einheitlich ausgestaltet wird und dass eine möglichst einheitliche Tarifpolitik ge-
trieben wird. Dann wird das Volk mit demgeringsten Aufwand von Mitteln die günstigste Gesamt-Ver-
kehrspflege erzielen;dann wird auch einschädlicher Wettbewerb zwischen beiden nicht aufkommen
können, Eisenbahn und Wasserstrasse werden sich vielmehr gegenseitig befruchten und ergänzen.
Zum Schluss möge nuch auf Wasserstrassenpläne einzelner Länder hingewiesen werden, um deren die
Aweckmissigkeit zu beleuchte
Den Plan der Franzosen, die Seine bis Paris für Seeschiffe fahrbar zu machen, kann man nicht billigen,
weil die Strecke zu lang ist; dagegen muss man die Seekanäle nach Brüssel und Rom gutheissen. Wirtsohaftlic
Erfolg werden haben die in "Nordamerika geplanten grossartigen Kanäle und Schiffbarmachungen: Die fünf grossen
Seen sollen untereinander gut verbunden werden (der St. Mary-Kanal zwischen dem Oberen und Huron-See zeigt
bereits eine glänzende Entwicklung), ferner sollen sie leistungsfähig angeschlossen werden an den St. Lorenzstrom,
den Hudson (Eriekanal sohon vorhanden) und an den Ohio, ferner an den Mississippi (Illinoiakanal), der selbst
schiffbar gemacht werden soll. In Deutschland ist das grosse preussische Wasserstrassenprogramm zurzeit in
Ausführung begriffen, e3 steht noch aus die Kanalisierung v von Mosel—Saar, die Verbesserung der Elbe (und Saale
nebst Anschluss von Leipzig). Die wichtigsten Fragen liegen aber 1 für Deutschland zurzeit im Süden: Schiff-
barmachung des RLeines bis zum Bodensee und Abflussregulierung dieses Sees, Main- und Neckarkanalisierung
(Rhein-)Mein—Donau-Kanal. Kruftvoll soll ganz Deutschland für diese Pläne eintreten; auch Preussen sollte
hierfür Gelder aufwenden, wenn sich eine Verzinsung dafür auch nicht ausrechnen lässt. Der geplante Oder—
onau-Kanal scheint nach neuen sehr genauen Untersuchungen der Eisenbahn wesentlich unterlegen zu sein.
Bei Vergleichen sollte man sich hüten die Ergebnisse folgender Kanäle ohne sehr scharfe Kritik anf
neue Pläne zu übertragen: Nord-Ostsee-Konal, Menchester-Seekanul, französische Kanäle, eohwedische Kanale.
St. Mury-Konal, denn diese Waeserstrassen unterliegen ganz eigenartigen Bedingungen.
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