Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Karl Lehmann, Die privaten Gesellschaftsformen des Handels. 215 
  
meinsamen Bezug von Dünger, Maschinen, Geräten und Saatgut, der schon heute in ziemlich um- 
fangreichem Masse organisiert ist, sondern vor allem im Hinblick auf den Absatz der wirtschaftlichen 
Erzeugnisse. Es steht fest, dass z. B. die Spannung zwischen Vieh- und Fleischpreisen oft 
ganz ungewöhnlich hoch ist und einen normalen Gewinn des Zwischenhandels zeitweise un- 
gebührlich übersteigt. So zeigt sich u. a. immer wieder, dass in Zeiten steigender Viehpreise der 
Detailverkauf sofort folgt, während Preisstürze sich nur ganz langsam und fast niemals im 
ganzen Umfange dem letzten Konsumenten fühlbar machen. Ähnlich liegt es auch bei den übrigen 
landwirtschaftlichen Erzeugnissen, deren hoher Preis keineswegs immer mit entsprechenden Preisen 
für die Landwirtschaft verbunden ist. Gelingt es deshalb, die heute auch auf diesem Gebiete noch 
ganz unentbehrlichen Funktionen des Handels durch landw. Absatzgenossenschaften auszuschalten 
und vollwertig zu ersetzen, so wäre diessowohl im Interesse der Landwirte, wie der Konsumenten 
zu begrüssen. Für die letzteren würde der Gewinn noch grösser sein, wenn sie durch ihre Genossen- 
schaften direkt mit den landwirtschaftlichen Genossenschaften in Verbindung träten. Wird so ein 
weiterer Teil des Handels ausgeschaltet, so gilt darüber das oben G: 
Ausschaltung des Handels sehen wir schliesslich noch durch die K artellbildung 
in der Industrie. Soll es früher vorgekommen sein, dass an den Türen grosser Kohlenfirmen zu 
lesen war: „Kohlenreisenden ist der Zutritt verboten“, so haben die Verhältnisse sich inzwischen 
gründlich geändert. Abgesehen von den Gebieten, die internationalem Wettbewerb zugängig 
sind, ist der Kohlenhandel in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zum kartellierten Kohlenbergbau 
geraten und seine Stellung vielfach auf blosses Agententum herabgedrückt worden. Und so auch 
sonst. In dem Augenblick, da die Industriellen aufhören, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, 
haben sie den Handel mehr oder weniger in der Hand, schmälern sie zum mindesten dessen Ge- 
winn. Das Handelsgewerbe hat infolge der zunehmenden Kartellierung in Deutschland denn 
auch vielfach eine ganz andere Stellung erhalten, eine Entwicklung, die freilich noch zu sehr in 
Fluss ist, um schon abschliessend beurteilt zu werden. 
Alles in allem wird man gut tun, die hier kurz erörterten Tendenzen auf Ausschliessung des 
Zwischenhandels in ihrer Möglichkeit und Wirksamkeit sowie in ihrem Tempo nicht zu über- 
schätzen. Es wird, soweit wir die Lage heute übersehen können, nach menschlichem Ermessen 
immer ein gewaltiges Feld für kaufmännische Arbeit im Gross- und Kleinhandel übrig bleiben. 
Dies um so mehr, als auch der Kleinhandel neuerdings anfängt, sich gegen die ihn bedrohenden 
Eingriffe zu wehren, indem er sich die Waffen des Gegners aneignet (Rabattsparmarken etc.) und 
auch sonst auf Massnahmen der Selbsthilfe sinnt. In diesem Kampf werden schliesslich diejenigen 
Sieger bleiben, die sich den neuen Verhältnissen am meisten anzupassen wissen und die Güter- 
bereitstellung am rationellsten betreiben — auf weitem Felde wird dies der Kaufmann sein: der 
über umfassende Berufsbildung verfügende wirkliche Kaufmann. 
52. Abschnitt. 
Die privaten Gesellschaftsformen des Handels. 
Von 
Dr. Karl Lehmann, 
o. Professor der Rechte an der Universität Göttingen. 
Die grosse Fülle der Gesellschaftsformen im geltenden Handelsrecht liefert ein Spiegel- 
bild der wirtschaftlichen Kräfte und Bestrebungen in spekulativer Anlage von Vermögens- 
werten. Während die öffentliche Anleihe nur zum Teil spekulativen Zwecken dient, ist
	        
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