Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

324 Martin Weigert, Die Privatbeamtenfrage. 
  
stellten auf ein Dienstzeugnis mit genauen Angaben über seine Tätigkeit. 12. Sicherung des Eigen- 
turmsrechtes der Angestellten an ihren Erfindungen und eines angemessenen Anteils an dem Nutzen 
der Patentverwertung. 13. Verhinderung des Missbrauchs von Dienstwohnungen, Pensionskassen 
oder dergleichen zur Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. 14. Schaffung von Be- 
amtenausschüssen in allen Betrieben mit einer bestimmten Zahl von Angestellten. 
8. Die geforderten sozialpolitischen Schutzbestimmungen beziehen sich 
auf: 1. Mindestruhezeit resp. tägliche Höchstarbeitszeit für jeglichen Betrieb, in dem fremde Arbeits- 
kräfte tätig sind; Regelung der Arbeitspausen. — 2. Reichsgesetzlicher Achtuhrladenschluss in 
allen offenen Verkaufsstellen; 3. Verbot der Sonntagsarbeit in Büros und offenen Verkaufsstellen 
möglichst unbedingt, in anderen Betrieben, soweit es die Natur des Betriebes gestattet. Anspruch 
der am Sonntag beschäftigten Arbeitnehmer auf einen Ruhetag in der Woche (nach französischem 
Vorbilde). 4. Gesetzlichen Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub (nach österreichischem Vor- 
bilde). 5. Weitergehende Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit. Verbot der Nachtarbeit 
für Frauen und Kinder möglichst unbedingt, für Männer, soweit es die Natur des Betriebes gestattet. 
6. Erweiterter Schutz der Gesundheit und Sittlichkeit, insbesondere Vorschriften über eine sanitäre 
Einrichtung der Wohn- und Geschäftsräume; Strafverfolgung der Arbeitgeber bei unsittlichen 
Anträgen ihren weiblichen Angestellten gegenüber in Anlehnung an $ 174 St.G.B. 
9. Endlich werden von öffentlich rechtlichen Bestimmungen unter 
anderen noch angestrebt: 1. Sicherung des Koalitionsrechts für alle Gruppen ohne Ausnahme; 
2. Rechtsfähigkeit der Berufsvereine und ihre Befreiung von den im Reichsvereinsgesetz für po- 
litische Vereine vorgesehenen Beschränkungen; 3. Schaffung von Arbeitskammern mit besonderen 
Abteilungen für die Privatbeamten; 4. Schaffung von Berufsgerichten für die Angestelltengruppen, 
welche noch keine besitzen; 5 Ausdehnung der Gewerbeinspektion auf alle Schutzgesetze und 
Arbeitsverhältnisse (evtl. Schaffung einer besonderen Handelsinspektion). 6. Vorschriften zur 
wirksamen Bekämpfung der Lehrlingszüchterei; 7. Einführung eines allgemeinen Fortbildungs- 
schulzwanges. — 
. Soweit Unterschiede in den Forderungen der einzelnen Berufsgruppen zutage treten, sind 
sie verhältnismässig unbedeutend. Sie sind meist nicht erheblich grösser, als die Unterschiede 
zwischen den Zielen der verschiedenen Organisationen des gleichen Berufes; sie sind abhängig von 
der Zusammensetzung des Mitgliederbestandes, von dem paritätischen oder rein gewerkschaftlichen 
Charakter des Verbandes, von dem mehr oder minder engen Anschluss an bestimmte politische 
gruppen oder Persönlichkeiten, von den Eigenschaften der Führer und anderen oft nur zufälligen 
mständen. 
10. Die Mittel und Wege, mit welchen die Privatbeamtenverbände die wirtschaftliche 
Lage ihrer Mitglieder zu heben suchen, sind vielfach dieselben wie diejenigen der Arbeitervereine; 
gleich diesen gewähren sie ihren Mitgliedern Rechtsschutz, Auskünfte, Stellenvermittelung, Be- 
lehrung und die verschiedensten Arten von Unterstützungen, wobei sich jedoch die bei den Arbeiter- 
Organisationen besonders gepflegte Arbeitslosenunterstützung hier seltener und besondere Streik- 
fonds überhaupt nicht finden. 
11. Im Gegensatze zur Arbeiterbewegung kennt die Privatbeamtenbewegung bisher keine 
Streiks und Aussperrungen. Die Organisationen der Angestellten haben vielmehr stets den Weg fried- 
licher Vereinbarung bevorzugt. Sie sind bei den Unternehmern oder deren Interessenvertretungen 
zwecks Abstellung herrschender Missstände vorstellig geworden, oder sie haben durch Erhebungen, 
Flugschriften und Eingaben die öffentliche Meinung und die gesetzgel Körperscl im Sinne 
notwendiger Reformen zu beeinflussen gesucht. Mag auch die Taktik der Arbeiterverbände in 
vielen Fällen schneller zum Ziele geführt haben, so ist doch zweifellos der Weg, welchen die Privat- 
beamtenbewegung bishereingeschlagen hat, der zuverlässigeregewesen. DieArt, mit welcherdie Berufs- 
vereine der Angestellten ihre Forderungen zum Ausdruck gebracht haben, hat vielfach dazu bei- 
getragen, dass sie bei Arbeitgebern sowie bei den Behörden Verständnis für die Berechtigung ihrer 
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