Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

326 Fritz Stier-Somlo, Die Angestelltenversicherung. 
  
halb und weil eine Beseitigung dieser besonderen Versicherungsart auf absehbare Zeit gänzlich 
ausgeschlossen ist, mag hier von der Erörterung darüber abgesehen werden, ob es nicht möglich 
gewesen wäre, durch Erweiterung der Invalidenversicherung den besonderen Wünschen des Privat- 
beamtenstandes zu entsprechen, und ob es nicht ein unbegründetes Standesvorurteil war, wenn 
die Privatbeamten es ablehnten, in die eigentliche Arbeiterversicherung mit einbezogen zu werden. 
Jedenfalls wird man aber doch beklagen können, dass ein neuer umständlicher Apparat von Be- 
hörden und Beamten geschaffen worden ist, während eine Angliederung an die sonstige Sozial- 
versicherung, insbesondere auch an die Einrichtung des R>ichsversicherungsamts möglich gewesen 
wäre. Doch mag es bei diesem rechtspolitischen Bedenken hier sein Bewenden haben und die 
Aufmerksamkeit sich lediglich der rechtlichen Form zuwenden. 
2. Die Versicherungspflicht beginnt nach Vollendung des 16. Lebensjahres für alle Ange- 
stellten, die gegen Entgelt beschäftigt sind, wenn ihr Jahresarbeitsverdienst 5000 Mark nicht über- 
steigt. Sie müssen mindestens noch die Hälfte der normalen Erwerbsfähigkeit besitzen und dürfen 
das 60. Lebensjahr beim Eintritt in die versicherungspflichtige Beschäftigung noch nicht über- 
schritten haben. Die versicherungspflichtige Beschäftigung muss ihren Hauptberuf bilden. Auf 
sonstige Vermögensverhältnisse wird keine Rücksicht genommen. Männer wie Frauen sind einbe- 
zogen, wenn sie Angestellte in leitender Stellung, Betriebsbeamte, Werkmeister und Personen in 
gehobener oder höherer Stellung sind, Bureaubeamte, soweit sie nicht mit niedrigen oder lediglich 
mechanischen Dienstleistungen beschäftigt werden, Handlungsgehilfen und Gehilfen in Apotheken, 
Bühnen- und Orchestermitglieder ohne Rücksicht auf den Kunstwert ihrer Leistungen, Lehrer und 
Erzicher, gewisse Personen des Schiffahrtsberufs. Alle diese Personen können auch schon nach 
den Bestimmungen der RVO. der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung unterliegen, so dass 
hier eine doppelte Versicherung eingreift mit der Massgabe, dass die Versicherungsgrenze für die 
letztgenannte Versicherungsart 2000 Mark beträgt. Kraft Gesetzes oder auf seinen Antrag hin 
können gewisse Gruppen versicherungsfrei bleiben, speziell in staatlichen oder Gemeindebetrieben 
angestellte Personen, Geistliche öffentlich anerkannter Religionsgesellschaften, Lehrer und Er- 
zieher an öffentlichen Schulen, Beamten des Reichs, der Bundesstaaten usw., solange sie lediglich 
für den Beruf ausgebildet werden oder die Anwartschaft auf die Mindestbeträge von Ruhegeld 
und Hinterbliebenenrente haben. Aus der grossen Zahl der sonst noch Versicherungsfreien sollen 
diejenigen Personen hervorgehoben werden, welche nur gegen freien Unterhalt beschäftigt werden 
und solche Angestellte, die beim Inkrafttreten des Gesetzes das 55. Lebensjahr bereits vollendet 
haben, wenn eine abgekürzte Wartezeit nicht gestattet wird. Die bei einer privaten Versicherungs- 
gesellschaft abgeschlossene Versicherung entbindet von der staatlichen Versicherung nur unter 
gewissen im Gesetz äusserst unklar ausgedrückten Voraussetzungen. Zur freiwilligen Versicherung 
sid nur die als versicherungspflichtig bezeichneten Personen, wenn sie dauernd oder vorüber- 
gehend aus der Versicherungspflicht ausscheiden, mindestens aber 6 Pflichtbeiträge zurückgelegt 
haben, berechtigt, ferner — lediglich im Jahre 1913 — Angestellte mit einem Jahresarbeitsver- 
dienst von 5000 bis 10 000 Mark und Personen, welche in einem Betriebe höchstens 3 versicherungs- 
pflichtige Personen beschäftigen — die letzterwähnten Gruppen jedoch nur dann, wenn sie nach- 
weisen, dass sie seit dem 1. Januar 1909 eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 
30 Kalendermonaten ausgeübt haben. 
3. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach den für den Jahresarbeitsverdienst festgesetzten 
Gehaltsklassen, die ınit 550 Mark beginnen und bis 5000 Mark aufsteigen. Bei nicht feststehenden 
Bezügen gilt der Betrag des letzten Jahres bezw. das bar gewährte Gehalt, wenn solche nicht fest- 
stehende Bezüge vorher noch nicht gezahlt sind. Bis zum vollendeten 25. Lebensjahre kann der 
Versicherte auch in eine höhere Gehaltsklasse Versicherungsbeiträge entrichten. Er kann dies 
auch bei einer Verringerung seines Gehalts tun, er muss aber mindestens schon 6 Monatsbeiträge 
der höheren Gehaltsklasse auf Grund der Versicherungspflicht zurückgelegt haben. 
4. Die Beiträge haben bei Versicherungspflicht Arbeitgeber und Versicherte zu gleichen 
Teilen zu tragen, auch für Krankheitszeiten, wenn während dieser Zeit das Gehalt fortbezahlt
	        
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