Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

  
Fritz Stier-Somlo, Die Angestellt icherung. 397 
  
  
wird. Die monatlichen Beiträge stufen sich nach der Gehaltsklasse von 1,60 bis 26 Mark ab. 
Den Beitrag entrichtet derjenige Arbeitgeber, der den Versicherten im Beitragsmonat beschäftigt. 
Bei Beschäftigung durch mehrere Arbeitgeber muss jeder 8 % des für die Beschäftigung gezahlten 
Entgelts zahlen. Der Versicherte muss sich bei der Gehaltszahlung die Hälfte der gesetzlichen 
Beiträge und, wenn die Zahlung zu einer höheren Gehaltsklasse mit dem Arbeitgeber vereinbart 
ist, auch diesen Mehrbetrag vom Gehalt abziehen lassen. Nur für insgesamt zwei Lohnzahlungs- 
perioden darf der Arbeitgeber noch die Hälfte des Beitrags dem Versicherten in Abzug bringen. 
Anrechnungsfähige beitragsfreie Zeiten sind militärische Uebungen, nicht selbst verschuldete 
Krankheits- und Genesungszeiten, die den Versicherten behindern, seine Berufstätigkeit fortzu- 
setzen, ferner Schwangerschaft oder regelmässig verlaufendes Wochenbett bei Arbeitsunfähigkeit, 
jedoch nur bis zur Dauer von zwei Monaten, endlich Zeiten des Besuchs einer staatlich anerkannten 
Lehranstalt zwecks beruflicher Fortbildung. 
5. Durch die Versicherung ist die Möglichkeit gegeben, ein fortdauerndes Ruhegeld bei 
Vollendung des 65. Lebensjahres zu erhalten, auch wenn der Versicherte noch berufsfähig und in 
Stellung ist. Er erhält ein solches auch, wenn die Erwerbsfähigkeit dauernd über die Hälfte der 
normalen Arbeitsfähigkeit eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung gesunken ist. 
Ein sogen. Krankenruhegeld wird gewährt, wenn die Erwerbstätigkeit 26 Wochen ununterbrochen 
unter die Hälfte gesunken ist. Im Todesfalle von Versicherten wird eine Witwen-, Waisen-, Witwer- 
rente gezahlt: unter gewissen Bedingungen findet eine Rückzahlung der geleisteten Beträge bezw. 
Gewährung von Leibrenten statt. Zur Verhinderung der Berufsunfähigkeit kann ein Heilverfahren 
eingeleitet werden, aber auch, um einen Empfänger von Ruhegeld wieder berufsfähig zu machen. 
Entzieht sich der Versicherte dem angeordneten Heilverfahren, dann verliert er dadurch den An- 
spruch auf Ruhegeld ganz oder teilweise. Während der Unterbringung in der Heilanstalt haben die 
Angehörigen ein Recht auf Hausgeld, falls nicht Lohn oder Gehalt des Versicherten weiter gezahlt 
wird. Die Rente ist an eine Beitragszeit gebunden und zwar beträgt sie bei Ruhegeld und Kranken- 
geld für männliche Versicherte 120 Beitragsmonate, für weibliche Versicherte 60 Beitragamonate, 
wobei mindestens 60 Beitragsmonate auf Grund der Versicherungspflicht nachgewiesen sein müssen, 
Andemfalls ist die Wartezeit für weibliche Versicherte 90 Beitragsmonate, für männliche 150. 
Für die Hinterbliebenenrente werden bis zum 1. Januar 1923 60 Beitragsmonate auf Grund der 
Versicherungspflicht verlangt, von da ab 120 Beitragsmonate und, wenn nicht mindestens 60 Bei- 
tragsmonate auf Grund der Versicherungspflicht nachgewiesen sind, 150. Die Höhe der Jahres- 
rente wird folgendermassen berechnet: Sie beträgt ein Viertel des Wertes der ersten 120 Monats- 
beiträge, die übrigen Beiträge gelangen mit einem Achtel ihres Wertes zur Anrechnung. Bei weib- 
lichen Versicherten, welche nach Ablauf von 60 Beitragsmonaten, aber vor Erlangung von 120 Bei- 
tragsmonaten berechtigt werden, beträgt das Ruhegeld den vierten Teil der in den ersten 60 Monaten 
entrichteten Beiträge. Witwen- oder Witwerrente wird so berechnet: Bis zum 1. Januar 1923 beträgt 
sie zwei Fünftel von ein Viertel des Wertes der in den ersten 60 Beitragsmonaten entrichteten 
Beiträge, von da ab zwei Fünftel des Ruhegeldes, das der Ernährer bezogen hat oder ihm zustand. 
Waisen erhalten je ein Fünftel, Doppelwaisen je ein Drittel des Betrags der Witwenrente. 
6. Träger der Versicherung ist eine sämtliche Versicherte umfassende „Reichsversicherungs- 
anstalt für Angestellte“, die ihren Sitz in Berlin hat, eine öffentliche Behörde und rechtsfähig ist. 
Organe sind das Direktorium, der Verwaltungsrat, die Rentenausschüsse und die Vertrauensmänner. 
Das Direktorium vertritt die Reichsversicherungsanstalt gerichtlich und aussergerichtlich, es hat 
die Stellung eines gesetzlichen Vertreters und steht unter der Aufsicht des Reichskanzlers. Es 
setzt sich zusammen aus einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von beamteten Mit- 
gliedern sowie aus je 2 Vertretern der versicherten Angestellten und ihrer Arbeitgeber (nicht be- 
amtete Mitglieder). Diese letzteren werden vom Verwaltungsrat auf 6 Jahre gewählt. Der Ver- 
waltungsrat hat das Direktorium bei Vorbereitung wichtiger Beschlüsse gutachtlich zu beraten, 
Ihm ist die Feststellung des Voranschlags und die Abnahme der Rechnungsabschlüsse und Bilanzen 
übertragen, sowie die Wahl der nichtbeamteten Mitglieder des Direktoriums. Der Verwaltungsrat. 
besteht aus dem Präsidenten des Direktoriums und mindestens je 12 Vertretern der Versicherten
	        
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