Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

James Breit, Notenbanken. 
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deckung voraussichtlich doch suspendiert werden müssen. Weiter kommt hinzu, dass das Prinzip 
nicht einmal folgerichtig durchgeführt ist. Bedarf die Note überhaupt im Hinblick auf die inter- 
nationalen Beziehungen einer Deckung, so kann heute nur Deckung in Gold in Frage kommen. 
Deckung in Silber ist keine Deckung und noch weniger DeckunginReichskassenschei- 
nen. Weder für Scheidemünzen noch für Reichskassenscheine besteht ja gesetzlich eine Deckung 
in Gold. Zu alledem kommt nun noch hinzu, dass sich die positive Ausgestaltung der Drittels- 
deckung mit der Ausbildung des Girowesens nicht verträgt. Das Prinzip der Notendeckung gründet 
auch auf die Fiktion, dass der gesamte deckungsfähige Barvorrat für die Einlösung der Noten zur 
Verfügung stehe. Ist doch das Deckungsprinzip der Ausfluss des Misstrauens, mit dem man ehedem 
die Zettelbanken betrachtete. Für alle übrigen Verbindlichkeiten der Reichsbank, insbesondere 
auch die Giroverbindlichkeiten existiert eine gleichgeartete Deckungsvorschrift nicht. Nun wird 
gerade das Deckungsgesetz dadurch zur Farce, wenn die Reichsbank in der Lage ist, durch Kon- 
trahierung täglich fälliger Verbindlichkeiten sich deckungsfähige Barmittel zu verschaffen. Das 
Gold, das die Girogläubiger der Bank auf Girokonto einzahlen, und das — wenn es überhaupt zur 
Deckung irgendwelcher spezieller Verbindlichkeiten bestimmt sein sollte — der Deckung eben der 
Giroverbindlichkeiten dienen müsste, wird nur unter dem Gesichtswinkel der Notendeckung be- 
trachtet. Das ist gesetzlich natürlich durchaus gerechtfertigt. Aber die Deckung ist eine rein fiktive: 
sobald nur ein erheblicher Teil der Girogelder zurückgezogen würde, wäre das Deckungsgesetz ver- 
letzt. Der gesamte Goldbestand der Reichsbank deckte in den Jahren 1906 und 1907 kaum zwei 
Drittel der Giroverpflichtungen. Will man heute Deckungsvorschriften schaffen, so darf nicht die 
Eigenschaft der Zentralbank als Depositenbank vollständig neben der als Notenbank 
unberücksichtigt bleiben. Es würde zu bestimmen sein, dass in Höhe eines Teils — etwa eines Sechs- 
tels — der sämtlichen täglich fälligen Verbindlichkeiten Gold in Reserve zu halten ist. — So käme 
man dazu, einer modernen Deckungsvorschrift überhaupt nicht das Prinzip der Einlösbarkeit der 
Noten in Goldmünzen zugrunde zu legen. Die Zentralnotenbank muss als Hüterin der Währung, 
also für den Verkehr mit dem Ausland, Goldreserve haben. Dann würde von selbst der Goldbarren 
vollwertiges Deckungsmaterial werden und der Abzug der Prägegebühr erledigt sich ohne weiteres. 
Desgleichen stehen alsdann keinerlei Bedenken mehr der Einrechnung von Golddevisen 
entgegen. Nach der heute herrschenden Auffassung, wonach die Bardeckung den Reichsbank- 
kassierer in die Lage versetzen soll, eine präsentierte Hundertmarknote in Goldmünzen umzu- 
wechseln, wäre die Einrechnung der Golddevise allerdings eine Inkonsequenz. 
ß) Aufhebung der Notensteuer (der Kontingentierung). 
Die indirekte Kontingentierung mag für die Privatbanken zweckmässig sein, weil sie die 
Leitung der Bank immerhin zwingt, in der Kreditgewährung bestimmte Schranken einzuhalten- 
Ganz anders beider Reichsbank. Esistein Widerspruch, der Zentralbank, die im In- 
teresse der Allgemeinheit das Notenkontingent überschreitet, zur Strafe eine Steuer aufzuerlegen. 
Die indirekte Kontingentierung bat nur dann Sinn und Verstand, wenn gleichsam automatisch auf 
die Überschreitung des Kontingents die entsprechende Diskonterhöhung folgt. Wenn dagegen 
die Reichsbank — wie sie dies z. B. in ihrem Jubiläumsbericht mit Genugtuung hervorhebt — wieder- 
holt die Notensteuer selbst getragen und im Interesse der Allgemeinheit einen niedrigeren Diskont 
aufrecht erhalten hat, so ist damit der einzige Zweck der Notensteuer, die Eindämmung der Speku- 
lationslust, vereitelt. 
Aber auch die prinzipiellen Erwägungen, auf denen die Kontingentierung beruht, sind für 
die Reichsbank nicht mehr stichhaltig. Der Gedanke, einer Volkswirtschaft durch eine mechanische 
Ziffer vorzuschreiben, wie hoch das Maximum ihres Notenbedarfs ist, erscheint für moderne Verhält- 
nisse verwerflich. — Ebenso widersinnig wie die Kontingentierung selbst, ist nun aber auch das vom 
Reich zur Abhilfe der aus ihr entspringenden Nachteile gewählte Hilfsmittel, d. h. die periodisch 
eintretende Kontingentserhöhung. Besteht einmal eine Kontingentierung, so ist eine von Jahrzehnt 
zu Jahrzehnt eintretende, sich nach den Kontingentsüberschreitungen des verflossenen Jahrzehnts 
richtende Kontingentserhöhung doch nur das indirekte Geständnis, dass die bisherige Kontingen- 
tierung den Anforderungen des Wirtschaftslebens nicht genügt hat. Statt dass sich der Notenum-
	        
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