Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

338 KRiesser, Die Banken-Konzentration in Deutschland, ihre Vorteile u. Gefahren. 
Städte, in dem Wachstum der Industrie- und Grossstädte. Sie tritt zutage im Kampf des 
Grosshandels, der Warenhäuser und der Grossindustrie gegen Kleinhandel, Klein- und Haus- 
industrie und Handwerk, der „gemischten“ gegen die reinen Stahl- und Walzwerke, des 
Grossgrundbesitzes gegenüber dem bäuerlichen Besitze, der Grossmüller gegenüber den 
Kleinmüllereibetrieben u. a. m. 
Die Konzentration kann sich jedoch im Bankgewerbe besonders intensiv und be- 
sonders schnell entwickeln, weil hier weit geringere technische Hemmungen vor- 
handen sind, als solche der Erweiterung industrieller Anlagen entgegenstehen. Zudem pflegen 
die Privatbankbetriebe der Banken-Konzentration durchaus nicht einen so kräftigen Widerstand 
entgegenzusetzen, als ihn gegenüber der industriellen Konzentration der industrielle Klein- 
betrieb leistet, welchen letzteren häufig die Politik der Kartelle, zeitweise wenigstens, notgedrungen 
erhalten muss. Ferner treten die deutschen Kreditbanken meist in der Gewandung der 
Aktiengesellschaft auf, bei der die Leichtigkeit der Kreditbeschaffung besonders 
zur Kapitalvergrösserung anregt, zumal doppeltes Kapital in der Regel mehr als doppelten 
Umsatz ermöglicht. Mit dem Wachstum der Kapitalien pflegt sich jene Kapitalvergrösserungs- 
tendenz noch zu erhöhen, so dass sie bei grösseren Kapitalien in der Regel stärker ist als 
bei kleineren. 
In Deutschland war die Konzentration im Bankwesen eine fast elementare Notwendig- 
keit, Denn schon gleich nach Gründung der ersten Kreditbanken um die Mitte des vorigen 
Jahrhunderts und dann wieder besonders unmittelbar nach der Reichsgründung traten ausser- 
ordentlich starke Kreditanforderungen des Staats und der Städte an sie heran, während zu- 
gleich die stürmische Entwicklung des (zunächst privaten) Eisenbahnwesens und die 
der Industrie, namentlich der Montan-Industrie und damit zusammenhängender 
Branchen, eine Verstärkung der anfänglich noch recht schwachen Kapital-und Kredit- 
basis bedingten. 
Wir können feststellen, dass es in Deutschland in erster Linie diese grossen industriellen 
Kredit-Bedürfnisse waren, welche, bei fast gleichzeitigem Auftreten in allen Zweigen 
des bankmässigen Aktiv-Geschäfts, also im Kontokorrent-, Akzept-, Diskontierungs-, Lombard-, 
Report- und Kommissions-, sowie im Gründungs-, Umwandlungs-, Iimissions- und Konsortial- 
geschäft, Umfang, Richtung und Schnelligkeit der Banken-Konzentration 
diktiert haben. 
Mit der Erhöhung der Kredit-Bedürfnisse und des Kredit-Verkehrs konnte 
die Erweiterung der Kredit-Basis nicht gleichen Schritt halten. Denn bei schlechten 
Zeiten oder ungünstiger Lage und geringer Aufnahmefähigkeit des Marktes oder einem durch 
geringe Dividenden bedingten niedrigen Kursstand der Bank-Aktien sind junge Aktien 
schwer oder nicht emittierbar. Ausserdem hat die Möglichkeit der Kapitalerhöhung auch 
bestimmte technische Grenzen, da bei zu hohen Aktienkapitalien angemessene Dividenden 
nicht zu erwarten sind. 
Hatten somit die Kredit-Bedürfnisse der Industrie und der Kredit-Verkehr der Banken die 
Tendenz in stärkerem Verhältnis und in rascherem Tempo zuzunehmen, als die eigenen 
Kapitalien der Banken, so wurde es bald zur Notwendigkeit, behufs Erweiterung der Kredit- 
Basis fremdes Kapital heranzuziehen, was die ersten deutschen Kreditbanken bis zu den 
10er Jahren entweder gar nicht oder nur ungern und in sehr geringem Umfange getan hatten. 
Diese Heranziehung fremder Gelder erfolgte in systematischer Weise, und zwar im Wege 
von Depositenkassen, zuerst seitens der Deutschen Bank, die erst 1870 mit dem bescheidenen 
Kapita) von 15 Millionen M. begründet worden war. Durch jene Heranziehung fremder Gelder 
wurde aber nicht lediglich die Rentabilität der Bank erhöht, welche den Unterschied zwischen den 
geringen von ihr zu vergütenden und den höheren Zinsen verdiente, welche sie selbst mit jenen 
Geldern in ihrem Geschäftsverkehr erzielen konnte. Vielmehr erwiesen sich die Depositen- 
kassen, obwohl sie als solche zunächst keinen Gewinn abzuwerfen pflegen, als besonders 
zugkräftige Vermittlungsstellen für die Erzielung weiteren Geschäftsverkehrs. Die durch sie 
der Bank zugeführte, in ihrer Kredit- und Vertrauenswürdigkeit bekannte, anlagebedürftige
	        
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