Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Riesser, Die Banken-Konzentration in Deutschland, ihre Vorteile u. Gefahren. 339 
und aufnahmefäbige Klientel gewöhnt sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge von selbst 
daran, der Bank auch ihre übrigen finanziellen Geschäfte zuzuführen und diese Stamm- 
kundschaft wird nach und nach von selbst zum besten und sichersten Abnehmer der von 
der Bank emittierten Werte. 
Mit der in dieser Weise wachsenden Emissions-Kraft steigen dann naturgemäss die 
Emissions-Erfolge, von denen jeder machterhöhend, also konzentrationsfördernd, 
wirkt. Denn jede Macht-Erhöhung muss schon aus psychologischen Gründen, die hier stark 
mitsprechen, den Umfang der Klientel und der Geschäfte und damit von neuem die Not- 
wendigkeit und Schnelligkeit der Expansion und Konzentration vermehren. 
Sobald aber die Bank bei heimischen (nationalen) Emissionen ihre Absatzfähig- 
keit erfolgreich nachgewiesen hat, wird sie auch bei internationalen Emissionen ein 
gesuchter Partner und gefürchteter Konkurrent, der den bei Massenemissionen erforderlichen 
Massenabsatz am raschesten und sichersten zu bewältigen verspricht. 
Mit stärkerer Beteiligung an internationalen Ewissionen ergibt sich alsdann wieder 
die Notwendigkeit weiterer Expansion im In- und Ausland, fernerer Erhöhung der Betriebs- 
kapitalien, ausgedehnterer Schaffung von Filialen, namentlich an den Zentralen des Uebersee- 
Verkehrs Hamburg, Bremen, London, New-York oder. von besonderen 
Tochterbanken oder Kommanditen im Ausland u. a m. Damit tritt aber wieder 
naturgemäss eine Steigerung im nationalen und internationalen Geschäftsverkehr der Bank 
ein, namentlich eine Erhöhung des Zahlungs-, Akzept-, Diskontierungs-, Devisen-, Giro- und 
Abreebnungs-Verkehrs, und so ist jeder Fortschritt sowohl Wirkung wie Ursache 
weiterer Entwicklung des Konzentrationsweges. 
mfang undSchnelligkeit der Konzentration wurde in Deutschland, abgesehen 
von schweren Fehlern der Stempel- und Börsen-Gesetzgebung, welche den Privatbankier- 
stand schädigten, besonders durch folgende Vorgänge erhöht: 
Zunächst gaben die grossen wirtschaftlichen Krisen, welche im Jahre 1873 und 1900 
über Deutschland hereinbrachen, einer Reihe von Banken eine gute Gelegenheit, schwächer 
ewordene oder in. Konkurs oder Liquidation getretene Banken aufzusaugen oder bei 
Sanierungen derselben mitzuwirken und so den eigenen Einfluss und Geschäftsumfang zu 
vermehren. Zu der konzentrationsfördernden Wirkung solcher Ereignisse trugen auch hier 
vielfach psychologische Vorgänge bei, z. B. der Eindruck der Tatsache, dass die Deutsche 
Bank am gleichen Tage, als die Zahlungseinstellung der Leipziger Bank zum grössten 
Schrecken weitester Kreise bekannt wurde, nämlich am 23. Juni 1901, publizierte, dass sie 
eine Filiale in Leipzig errichtete. 
In zweiter Linie wirkte hier mit die gewaltige Verstärkung der industriellen 
Konzentrationsbewegung, welche in den Jahren 1893 und 1897 durch die Gründung des 
Rhein.-Westfäl. Eisen-und Kohlen-Syndikatseintrat. Denn falls es durch diese 
Kartelle gelang, der Preisschleuderei im Inland und der Konkurrenz des Auslands wirksam 
entgegenzutreten, war ein starkes Wachstum der industriellen Betriebe und der industriellen 
Konzentration sicher. Ebenso sicher war aber dann auch, dass jene Betriebe mit dem Kapital una 
Kredit ihrer bisherigen Bankverbindung allein nicht mehr auskommen konnten und dass nun jede 
Bank vor allem enge industrielle Verbindungen gewinnen musste. Hier gelang es nun wieder zu- 
erst der Deutschen Bank gleich im Jahre 1897 durch den Abschluss einer Interessengemein- 
schaft mit der Bergisch-Märkischen Bank in Elberfeld und dem Schlesischen 
Bankverein in Breslau enge Beziehungen zur Industrie, bes. zur Montan-Industrie, in 
den industriereichsten Provinzen, Rheinland- Westfalen und Oberschlesien, herzustellen. 
Mit diesem „kühnen Griff“, der zugleich den Anfang einer planmässigen 
Industrie-Politik im deutschen Bankwesen bezeichnet, begann ein bis in die heutigen 
Tage fortgesetztes Konkurrenz-Rennen der Kreditbanken behufs Herstellung besonders intimer 
industrieller Beziehungen, denen schliesslich durch Delegationen von Industrie-Kapitänen in 
den Aufsichtsrat der Bankenundnoch mehr von Barkdirektoren in den Aufsichtsrat industrieller 
Gesellschaften auch nach aussen ein weithin sichtbarer Ausdruck gegeben wurde.
	        
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