Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Riesser, Die Bankon-Konzentration in Deutschland, ihre Vorteile u. Gefahren. 341 
  
A. Schaaffh. Bankverein und Berliner Handelsgesellschaft), ist nur die letztere noch fast völlig 
zentralisiert. Die 5 anderen bilden mit den ihnen affiliierten Banken in der Provinz (Konzern- 
banken) je 5 Gruppen, deren Kapitalmacht (Aktien plus Reserven) am 31. Oktober 1911 rund 
23%, Milliarden M. betrug. Diese Grossbanken und deren Konzernbanken hatten bis 30. September 
1911 197 Privatbbankgeschäfte und 64 Banken aufgesaugt. Die 41 Konzernbanken hatten Ende 
1911 zusammen 285 Filialen, alsoetwa 6 Filialen im Durchschnitt, die Grossbanken 
durchschnittlich weniger, während die 63 Depositenbanken in Grossbritannien und Irland Ende 1908 
nicht weniger als 6801 branches und sub-branches hatten (Ende 1910 waren es 7151); die Lloyds- 
Bank allein hatte schon 1908 589 (1912 660) branches, sub-branches und agencies. 
Ebenso hatten die 3 grössten Kreditinstitute in Frankreich (Credit Lyonnais, Comptoir 
national und Societe generale) Ende 1908 in Paris und Vororten 199 Filialen und Agenturen 
und in der Provinz 961, also die 3 Institute hatten allein zusammen 1160 Filialen und 
Agenturen. 
Allerdings besassen die 41 deutschen Konzernbanken Ende 1911, ausser den 285 Filialen, 
noch 377 Agenturen und 126 Depositenkassen, also zusammen 788 Zweigstellen, aber selbst diese 
Zahl ist — jedenfalls relativ — nicht bedeutend gegenüber den mitgeteilten englischen und 
französischen Ziffern. 
II. Vorteile und Gefahren der Banken-Konzentration in Deutschland. 
1. Vorteile. 
a) Nichtrein privatwirtschaftliche Vorteile, 
Es ist kein Zweifel, dass die deutsche Industrie ihre nationale Aufgabe, zusammen mit der 
Landwirtschaft dem gewaltigen Bevölkerungszuwachs von jährlich etwa 850 000 Menschen Nahrung 
und Beschäftigung zu verschaffen, nicht hätte erfüllen können, ohne die energische und zielbewusste 
Hilfe der deutschen Banken, deren ausgesprochenes Ziel, meist schon bei ihrer Gründung, in erster 
Linie die Unterstützung von Handel und Industrie war. Aus den ersten Anfängen entwickelte 
sich dann eine immer planmässigere Industrie-Politik und eine von grossen Gesichts- 
punkten getragene Förderung der industriellen Export-Politik. Im Zusammen- 
hang damit wurde unsere Weltpolitik kräftig unterstützt, deren Vorpostengefechte immer auf 
finanziellem Boden geschlagen werden, und ebenso unsere Schiffahrts-, Kolonial-, 
Kabel- und Kanal-Politik. Ein weiterer der Allgemeinheit zugute kommender Vorteil 
der Konzentration ergibt sich daraus, dass die Geschäftspolitik einer Grossbank, insbesondere 
einer solchen, die an der Spitze einer weitverzweigten Gruppe von Konzernbanken steht, mehr 
als die mittlerer oder kleinerer Banken, nach einem einheitlichen Programm geleitet werden und 
in erheblicherem Masse den allgemeinen und nationalen Interessen Rechnung tragen kann, also in 
grösserem Umfange auch Wirtschafts-Politik,nichtblosseDividenden-Politik 
treiben wird. 
Nach innen erleichtert eine konzentrierte Kolonialmacht zugleich eine elastischere 
Ausgestaltung des Kreditsystems, welche in kritischen und kriegerischen Zeiten 
ein energisches Eingreifen zur Stütze des Marktes, zur Verhinderung einer Panik, zur Verhütung 
von Zusammenbrüchen kleinerer Unternehmungen und zur Unterstützung der staatlichen Finanz- 
und Wirtschaftspolitik ermöglicht. 
Den Grossbanken gestattet ferner ihre genaue Kenntnis der Kapital- und Geldmärkte, der 
wirtschaftlichen, industriellen und finanziellen Gesamtlage und der Gewohnheiten und Bedürfnisse 
ihrer Klientel in immer wachsendem Umfange das Herannahen einer Krisis an bestimmten bedroh- 
lichen Anzeichen früher als andere Kreise zu erkennen. Sie kommen deshalb immer mehr in die 
Lage, rechtzeitig warnen und diejenigen vorbeugenden Massregeln treffen zu können, die 
eine Krisis zwar nicht ausschliessen, aber ihre Heftigkeit und ihre Dauer beschränken können. 
Bisher ist auf diesem Gebiete sicher nicht immer alles geschehen, was hätte geschehen können.
	        
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