Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Riesser, Bie Banken-Konzentration in Deutschland, ihre Vorteile u. Gefahren. 843 
In einigen Richtungen dürfte aber eine allmähliche Besserung durch die jetzt seitens 
der meisten Banken veröffentlichten zweimonatlichen Rohbilanzen zu erwarten sein, 
und zwar in Verbindung mit der eigenen Kritik der Banken selbst, mit derjenigen der Konkur- 
renzbanken und der öffentlichen Kritik. Daneben ist aber eine dauernde Vermehrung 
der Barmittel, insbes. durch ständig höhere Giro-Guthaben bei der Reichsbank, unerläss- 
lich (Näheres vgl. bei Riesser, Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kriegführung, 2. Aufl. 
Gust. Fischer, Jena 1913). 
Eine weitere bedenkliche Erscheinung, der nach dem Inkrafttreten des Börsengesetzes 
(1. Januar: 1897) besonders zu Tage getretene, sehr bedauerliche Niedergang der mitt- 
leren und kleineren Privatbankgeschäfte, ist ohne Zweifel im wesent- 
liehen durch die Konzentrationsentwicklung im Bankwesen hervorgerufen, die ja aber nur eine 
Einzelerscheinung des allgemeinen Kampfes des Grossbetriebes gegen den Kleinbetrieb ist; sie 
ist durch eine fehlerhafte Stempel- und Börsengesetzgebung nur erheblich beschleunigt und ver- 
schärft worden. 
ist wohl möglich, dass in Folge der Novelle zum Börsengesetz, die insbesondere inner- 
halb bestimmter Grenzen das Termingeschäft wieder freigibt, in welchem geringere 
Mittel als im Kassageschäft festzulegen sind, eine gewisse Stärkung des Privatbankgeschäfts ein- 
treten kann oder vielleicht, worauf einzelne Anzeichen hindeuten, schon eingetreten ist. 
Es ist ferner möglich, dass mit jener Novelle — falls sie nicht zu spät gekommen ist — 
eine gewisse Stärkung jenes wichtigen finanziellen Machtfaktors, der Börse, wieder eintreten könnte, 
welche die wichtige Rolle der Preisbildung und Preisregulierung und den Ausgleichungsdienst 
zwischen Angebot und Nachfrage zu übernehmen hat und deren Aufnahme- und Widerstands- 
kraft eine wesentliche Voraussetzung unseres wirtschaftlichen und finanziellen Gleichgewichts 
und des Gelingens unserer finanziellen Mobilmachung ist. 
Einstweilen muss aber bedauerlicherweise festgestellt werden, dass dieser unentbehrliche 
Machtfaktor nicht nur durch schwere Fehler der Börsen- und Stempelgesetzgebung, sondern auch 
durch den naturgemässen Verlauf der Konzentrationsentwicklung schwer geschädigt worden ist. 
Die Banken bringen eben nur den nicht kompensierbaren Rest der bei ihnen zusammenströmenden 
Kauf- und Verkaufsaufträge auf dem Gebiete des Wertpapier-, Devisen- und Diskontverkehrs an 
die Börse; sie entziehen ihr also einen grossen Teil des für eine richtige Preisbildung und Preis- 
notierung unentbehrlichen Materials und damit die im Interesse der Gesamtwirtschaft unerläss- 
liche Eigenschaft einer Zentralstelle für Angebot und Nachfrage aus dem ganzen Lande. 
Wenn ferner nicht zu leugnen ist, dass sich im Verlauf der Konzentrationsentwicklung 
sowohl die Zahl der abhängigen Angestellten wie das Verhältnis der in Grossbanken tätigen zu 
den in mittleren und kleinen Banken beschäftigten Angestellten erheblich vergrössert hat, so ist 
dies ein Vorgang, der sich genau oder ähnlich auch auf ganz anderen Gebieten abgespielt hat. Es 
ist auch zu beachten, dass, wenn dadurch allerdings die Zahl derer stark herabgedrückt wird, 
welche Aussicht haben, einmal selbständig zu werden, doch andererseits das Aufrücken 
tüchtiger Beamten zu besseren und selbständigeren Stellungen innerhalb der Bank infolge 
der grossen Zahl der Filialen, Agenturen, Kommanditen, Depositenkassen und Tochterbanken 
wesentlich erleichtert worden ist. 
Bedenklicher ist dagegen, dass die Stellung eines Bankbeamten sich innerlich ver- 
schlechtert hat, weil, was allerdings auch in anderen Grossbetrieben eingetreten ist, die Vielseitig- 
keit der Fachausbildung unter der immer mehr notwendigen Spezialisierung der Tätig- 
keit gelitten hat. Auch lässt sich nicht verkennen, dass einem entlassenen Beamten, der in 
einem einer grösseren Gruppe angehörigen Bankinstitut gearbeitet hat, der Übergang zu einer 
anderen Bank, namentlich der gleichen Gruppe, sehr erschwert ist. 
Auf der anderen Seite sind de Gehälter der Bankbeamten im Verlauf der Konzen- 
trationsentwicklung allmählich gestiegen, ohne dass ich sicher feststellen kann, ob diese Steigerung 
auch über den Betrag hinausgegangen ist, welcher der gleichzeitigen Steigerung der Lebenshaltung 
und Ausgaben entsprach. Gewiss ist nur, dass der Durchschnittsbetrag der Gehälter der Bank-
	        
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