Wilhelm Lexis, Währung. 353
der Silberprägungen und eine bis auf 2 und 2.1 Prozent steigende Prämie auf 20-Frank-Stücke.
Frankreich verkaufte also einen Teil des früher angesammelten Goldes mit Gewinn, während sich
sein Silbervorrat gewaltig erhöbte. Nach der Erschliessung der kalifornischen und australischen
Goldminen aber trat die umgekehrte Bewegung ein: in den Jahren 1851 bis 1870 wurden in Frank-
reich über 6200 Mill. Franks in Gold geprägt, also fast die ganze Produktion jener Minen aufgenommen,
das Silber erzielte eine Prämie, die 1857 und 1864 netto (mit Abzug der Prägegebühr) 24, Prozent
erreichte, und es wurden ungefähr 11, Milliarden in Silber, wieder mit Gewinn, ausgeführt, während
doch noch beinahe zwei Milliarden im Lande blieben. Im Jahre 1865 erhielt das französische Doppel-
währungssystem eine Erweiterung und Befestigung durch die mit Belgien, der Schweiz und Italien
abgeschlossenen Münzkonvention, der später auch Griechenland beitrat; 1874 aber wurde unter dem
Eindruck der mehr und mehr fühlbar werdenden Silberentwertung die Prägung von Silberwährungs-
münzen in den Münzbundstaaten beschränkt und 1876 in Frankreich und Belgien und 1878 auch in
den anderen Vereinsstaaten ganz eingestellt. Schon durch die Beschränkung der Prägefreiheit für
die Silberwährungsmünzen wurde die reine Doppelwährung in eine sogenannte hinkende ver-
wandelt, und nur in dieser prekären Form kommt sie gegenwärtig noch vor. Spanien, das 1868 das
französische Münzsystem angenommen hatte, ohne dem Münzbund beizutreten, schloss 1876 seine
Münzstätte für die Silberprägung auf Privatrechnung, setzte sie aber im fiskalischen Interesse für
Rechnung des Staates noch bis 1899 fort. Von den amerikanischen Experimenten wird unten noch
die Rede sein.
Silbermünzen bildeten zwar seit dem 16. Jahrhundert in vielen Ländern das überwiegende
Umlaufsmittel, immer aber waren auch Goldsorten neben ihnen im Verkehr. Eine reine und strenge
Silberwährung wurde zuerst in Holland durch das Gesetz vom 26. September 1847 eingeführt, nach
dem Goldmünzen nur noch als Handelsmünzen (Negotiepenninge) geprägt werden sollten. Die
vorhandenen Goldmünzen wurden eingezogen und das Metall 1850 verkauft, was damals einen merk-
lichen Einfluss auf das Wertverhältnis der beiden Edelmetalle ausübte, zumal man obnehin von
dem Zuströmen des kalifornischen und australischen Goldes eine Verminderung des Goldwertes
befürchtete. Diese Befürchtung beförderte auch das Zustandekommen der deutsch-österreichischen
Münzkonvention am 24. Januar 1857, die ebenfalls die reine Silberwährung annahm und Goldkronen
(mit dem theoretisch idealen Gehalt von 10 Gramm Feingold) nur als Handelsmünzen zuliess.
Zugleich wurde der Vereinstaler als gemeinschaftliche Währungsmünze des ganzen Staatenverbandes
(dem die beiden Mecklenburg, die Hansastädte und Holstein nicht angehörten) anerkannt, während
die österreichischen und süddeutschen Silbergulden nur in ihrem eigenen Gebiet gesetzliche Zahlungs-
kraft besitzen sollten. In Frankreich schlug M. Chevalier in seinem Buch „De la baisse probable de
l’or“ 1859 ebenfalls die Annahme der reinen Silberwährung vor, iudem er darauf hinwies, dass nach
dem Gesetz von 1803 der Silberfrank die eigentliche Grundlage des französischen Münzwesens bilde.
In den nächsten Jahren aber wurden immer mehr Stimmen laut, die sich gerade wegen der grossen
Steigerung der Goldproduktion für die reine Goldwährung aussprachen.
Die Goldwährung ist zuerst gewissermassen automatisch in England zur Herrschaft gelangt.
Die Goldprägung begann dort in grösserem Massstabe im 17. Jahrhundert, und namentlich kamen
in den vier letzten Jahrzehnten desselben viele ‚„‚Guineen‘“ — nach dem Herkunftslande ihres Metells
so genannt — in Umlavf. Sie hatten kein festes Wertverhältnis zu dem Silbergelde, dessen Haupt-
münze die Krone war (5 Schilling = ein Viertel des nur als Rechnungseinheit dienenden „Pfundes
Sterling‘). Infolge der starken Abnutzung der Silbermünzen ging der Kurs der Guineen zeitweise
beträchtlich über 20 Schilling hinaus und daher wurde im Jahre 1717 auf Grund eines von Newton
erstatteten Gutachtens durch eine königliche Proklamation bestimmt, dass die Guineen fortan nicht
höher als zum Werte von 21 Schilling ausgegeben und angenommen werden dürften. Dieser Kurs
entsprach einem Wertverhältnis des Goldes zum Silber von 15.2 : 1, das in den nächsten Jahrzehnten
im Vergleich mit dem Marktwertverhältnis zu hoch war. Daher konnten vollwichtige Silbermünzen
nicht mehr geprägt werden. weil sie sofort ausgeführt worden wären, und es blieben nur die stark
abgenutzten im Umlauf, die tatsächlich den Charakter von Scheidemünzen erhielten, während alle
grösseren Geschäfte in Gold abgeschlossen wurden. Durch ein Gesetz von 1774 wurde dann bestimmt,
dass die nicht vollwichtigen Silbermünzen als solche nur bis zu dem Betrage von 25 Pfd. Sterl. in
Handbuch der Politik. TI. Auflage. Band IT. 23