Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

354 Wilhelm Lexis, Währung. 
Zahlung gegeben werden könnten, im übrigen aber nur nach dem Gewicht (62Pence für die Unze 
Münzsilber) angenommen zu werden brauchten. Damit war den Silbermünzen eigentlich schon die 
Eigenschaft als vollgültiges Währungsgeld entzogen. Im Jahre 1791 wurde auch die weitere Aus- 
prägung von Silbermünzen gesetzlich suspendiert. Diese ganze Entwicklung hat sich ohne Zweifel 
im Einverständnis mit der öffentlichen Meinung vollzogen, denn andernfalls hätte sie leicht durch 
Herabsetzen des relativen Goldwertes gehemmt werden können. Sie wurde jedenfalls begünstigt 
durch die bedeutende Steigerung der Goldproduktion Brasiliens in den beiden ersten Dritteln 
des 18. Jahrhundeits, denn dieses Gold floss infolge der handelspolitischen Abhängigkeit Portugals 
von England grösstenteils nach London ab. Durch die 1797 in England beginnende Papiergeldwirt- 
schaft wurde die volle Ausbildung der Goldwährung um beinahe zwei Jahrzehnte verzögeit. Sie 
kam eıst durch das Gesetz vom 22. Juni 1816 zum Abschluss, das den Sovereign als Repräsen- 
tanten des Pfundes Sterling in Gold einführte und Silbergeld nur in unterwertigen Scheidemünzer 
mit auf 40 Schilling beschränkter Zahlungskraft beibehielt. Auch die Vereinigten Staaten wurden, 
fast ohne es zu merken, aus der Doppelwährung zur Goldwährung geführt. Das dem Golde zu un- 
günstige Wertverhältnis 15 : 1 wurde 1834 durch 16 : 1 (seit 1837: 15.988 : 1) ersetzt, das seit dem 
gewaltigen Aufschwung der Goldproduktion mit den Londoner Silberpreisen, die schliesslich dem 
Verhältnis 15.1 : 1 entsprachen, immer unvereinbarer wurde. Die Silberdollars wurden daher aus- 
geführt, neue konnten nicht mehr geprägt werden, und man sah sich schon 1853 genötigt, Teil- 
stücke des Dollar als unterwertige Scheidemünzen mit Zahlungskraft bis 5 Doll. auszugeben. Die 
Goldprägungen dagegen gewannen einen sehr grossen Umfang und wurden auch durch die Papier- 
geldwirtschaft während des Bürgerkrieges und nachher nicht unterbrochen. Die formelle Einführung 
der Goldwährung erfolgte durch das Gesetz vom 12. Februar 1873, das den Silber-Standard-Dollar 
aus der Reihe der amerikanischen Münzen strich und durch den nur als Handelsmünze geltenden 
Trade-Dollar ersetzte. 
Auch in Frankreich gelangte das Gold, wie schon oben bemerkt, in den fünfziger und sechziger 
Jahren entschieden zur Vorherrschaft, und nach einer 1868 veranstalteten Enquete traf man bereits 
Vorkehrungen, ihm auch gesetzlich die Stellung als einziges Währungsmetall zu verleihen. Die 
Menge der noch vorhandenen silbernen Fünffrankenstücke schätzte man — viel zu niedrig — auf 
etwa 800 Mill. Franks, und man glaubte, davon einen Teil obne Schaden verkaufen und den Rest mit 
beschränkter Zahlungskraft behalten zu können. 
So hatten am Ende der sechziger Jahre die drei damals weltwirtschaftlich bedeutendsten 
Länder entweder gesetzliche oder faktische Goldwährung, und diese Tatsache musste auch den 
übrigen den Gedanken nahelegen, ebenfalls diese Währung anzunehmen. Dazu kam die Erwägung 
dass eine Wertverminderung des Goldes um so weniger zu befürchten sei, je weiter sich seine Ver- 
wendung als Geldmetall ausbreite, und ferner die Rücksicht auf die unzweifelhaft grössere Bequem- 
lichkeit des Goldgeldes im Vergleich mit dem Silber, die sich um so mehr bemerklich macht, je höher 
die Summen steigen, in denen sich die Umsätze des modernen Verkehrs bewegen. Eine 1867 in Paris 
tagende internationale Münzkonferenz, an der sich 20 Staaten beteiligten, sprach sich nicht nur fast 
einstimmig für den Uebergang zur Goldwährung aus, sondern befürwortete auch die Schaffung einer 
internationalen Münze in Gestalt eines 25-Frankstücks, dem der englische Sovereign und der amerika- 
nische halbe Eagle anzupassen wären. Für die Silberwährung sprach sich nur Holland aus, doch 
verhielt sich auch Preussen den neuen Plänen gegenüber einigermassen zurückhaltend. Österreich 
dagegen kündigte 1867 die Münzkonvention von 1857 und fing an, die Goldwährung vorzubereiten. 
In den folgendenJahren sprach sich auch in Deutschland die öffentliche Meinung immer entschiedener 
für die Goldwährung aus, und nachdem durch die französische Kriegsentschädigung beinahe 600 
Millionen Franks in effektivem Gold herübergeflossen waren, konnte die Münzreform ohne Schwierig- 
keit in Angriff genommen werden. Zunächst wurde durch das Gesetz vom 4. Dezember 1871 die 
Prägung von Goldmünzen nach einem neuen Typus vorgeschrieben und die weitere Prägung von 
Silbermünzen (mit Ausnahme von Denkmünzen) verboten. Als neue Einheit wurde der Wert von 
einem Drittel-Taler angenommen, der nach dem Wertverhältnis 15%, : lin Gold dargestellt wurde. 
Die neuen Münzen erhielten volle gesetzliche Zahlungskraft, aber die Rechnungseinheiten blieben 
zunächst noch die alten, indem z. B. das 20-Markstück 62/, Taler galt. Erst das Gesetz vom 9. Juli
	        
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