Ludwig Stephinger, Die Landwirtschaft mit ihren Nobengewerben. 373
laufregulierungen und durch Zuführung unbebauten Landes in Kulturzustand durch innere
Kolonisation im weiteren Sinne. Schulz-Lupitz ist die Erfindung und Durchführung eines
Systems zu danken, das Sandflächen fruchtbar macht und Rimpau-Cunrau hat in der Kulti-
vierung von Mooren vorbildlich gewirkt. Noch sind in Preussen ungefähr 1000 000 ha Hoch-
Niederungs- und Übergangs-Moore der Kultur zu gewinnen.
Mit grossem Eifer hat sich, wie bereits angedeutet, die Landwirtschaft der Lösung der
ländlichen Arbeiterfrage gewidmet, wenn dieselbe auch durchaus nicht als gelöst bezeichnet
werden kann. Die Aufgabe wird immer schwerer insofern, als einerseits die Steigerung der
Intensität allein die Konkurrenz der deutschen Landwirtschaft dem Auslande gegenüber er-
möglicht, andererseits aber diese Steigerung immer mehr Kapital und Arbeitskräfte erfordert.
Zum Teil passt sich die Landwirtschaft dem an durch die erwähnte Verwendung von Maschinen,
wobei dem Grossbetrieb die Aufgabe zufällt, voranzugehen, und der genossenschaftliche Zu-
sammmenschluss die Maschine auch kleineren Landwirten zugänglich macht. Indessen ist der
Ersatz der menschlichen Arbeitskraft durch die Maschine in der Landwirtschaft nicht in dem
Umfang möglich, wie in der Industrie. Einen Beitrag zur Hebung dieser Schwierigkeiten
liefern auch bessere Arbeitsanordnung und -Verteilung. Diese zu finden und anzuwenden, ist
Sache der Intelligenz und Ausbildung des Betriebsleiters; auch bauliche Einrichtungen können
hier mithelfen, wie z. B. die Scheunenformen und Speicherkonstruktionen lehren, welche die
D. L. G. 1910 und 11 ausgestellt hat. Die Dampfkraft ersetzt in der Landwirtschaft die mensch-
liche Arbeitskraft vielfach, besonders beim Dreschen und Pflügen; auch die Elektrizität wird
versuchsweise in den Dienst der Landwirtschaft gestellt und zwar als Beleuchtungs- und Kraft-
quelle, sowie zur Herstellung künstlichen Düngers und zur Verstärkung des Pflanzenwachstums.
Letztere Verwendungsarten befinden sich im reinen Versuchsstadium, die Verwendung als Licht
und Kraftquelle bringt in bezug auf Rentabilität wechselnde Erfolge.
Auch in der Viehzucht und Viehhaltung ist der deutschen Landwirtschaft eine Verbesserung
des Betriebes in mancher Hinsicht gelungen. Die Zahl der Pferde hat zugenommen, aber mässig,
denn dem Pferde als Fortbewegungsmittel entstehen immer neue Konkurrenten. Aber die
deutsche Pferdezucht hat an Verbesserung der Qualität sehr gute Erfolge aufzuweisen. Dies ist
der Fall sowohl bei Pferden warmblütiger Zucht, als auch bei den Pferden kalten Schlages. Auch
bei der Rindviehhaltung sind durch gute Zucht, richtige Aufstellung und Einhaltung des Zucht-
zieles ausgezeichnete Erfolge erzielt worden. Quantitativ ist das Resultat nicht gleich günstig wie
qualitativ, denn während 1873: 38,4 % Rindvieh je 100 Einwohnern gegenüberstanden, sinkt
dieses prozentische Verhältnis immer mehr, 1883 auf 34,5 1892: 35,2, 1900: 33,6, 1904: 32,2,
1907: 33. Allerdings wird dieses quantitative Zurückbleiben etwas ausgeglichen durch die
qualitativen Resultate der Zucht. Hier werden die einzelnen Zwecke, für die der Mensch das Tier
verwendet, als Ziel genommen, und die Ergiebigkeit des einzelnen Tieres an Fleisch, Milch
oder Arbeitskraft hat sich durch konsequente und zielbewusste Zucht bedeutend vermehrt.
Die Steigerung der Schweinezucht ist von der ganzen deutschen Tierzucht die stärkste.
Die Schweinehaltung ist rascher gestiegen als die Einwohnerzahl. Auf 100 Einwohner entfielen
1873: 17,4; 1883: 20,1; 1892: 26,6; 1900: 29,8; 1904: 32,5; 1907: 35,4. Die Kreuzung des deutschen
Landschweines mit dem Yorkshireschweine ergab das veredelte Landschwein, dessen Fruchtbarkeit
und rasche Mastfähigkeit die günstigen Erfolge der deutschen Schweinehaltung ermöglicht haben.
Die Schafzucht ist nur dort beibehalten, wo Klima und Bodenverhältnisse für die gute Haltung
anderer Tiere nicht mehr ausreichen. Auch in der Schafzucht ist ein rationelles Durchführen von
Zuchtzielen nach Fleisch- oder Wollertrag von gutem Erfolg begleitet gewesen.
' IV. Der Produktionserfolg.
Das Resultat der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit stellen bei der Ackerwirtschaft die
folgenden Zahlen dar. Um zunächst die Steigerung der Intensität zu beurteilen, ist es interessant
zu sehen, in welcher Weise der Ernteertrag von einem Hektar in einer Zeitspanne sich entwickelt
hat, in der wir eine starke Entwicklung der Intensität in der Landwirtschaft haben.