Stegemann -Arno Müller, Gewerbliches und technisches Schulwesen. 429
vorgebildete Arbeiter handelt. Die Grundlage ist durchweg die Fortbildungsschule gewerblichen
Charakters.#)
Der Ausgangspunkt des gewerblichen Unterrichts für den Nachwuchs:im Gewerbe ist der
$ 120 R.G.O., welcher dem Lehrherrn die dort näher umgrenzte Verpflichtung auferlegt, für den
Schulbesuch des Lehrlings zu sorgen, in Betracht kommen ferner die $$ 127, 148 Z. 9, 150. Hier-
nach besteht reichsgesetzlich ein Schulzwang nicht. Nach $ 120 Abs. 3 ist indes die Landesgesetz-
gebung zur Einführung des Schulzwanges befugt, und wo hiervon kein Gebrauch gemacht ist, tritt
die Möglichkeit statutarischer Einführung durch die Gemeinde oder den weiteren Kommunalverband
ein Landesgesetzlich ist der Schulzwang fast durchgehend eingeführt, in Baden und Württemberg
wohl am weitgehendsten.
Bestrebungen haben sich in neuester Zeit gezeigt, auch die Mädchen dem Fortbildungsschul-
zwang zu unterwerfen, obligatorisch ist der Fortbildungsschulunterricht fürMädchen in 8.-Altenburg.
Im einzelnen sind noch folgende Fragen:
a) Unterrichtsfächer. Hier kommen zunächst die dem Berufe dienenden Dis-
ziplinen in Betracht, am besten für die einzelnen Gewerbearten spezialisiert bezw. unter Zusammen-
fassung verwandter Gewerbe. Sodann die allgemein bildenden Fächer (Deutsch, Rechnen u. a.)
und zwar in Anwendung auf den gewerblichen Zweck (Geschäftsaufsatz, Buchführung, Kalkulation,
Korrespondenz), und endlich Fächer, die der staatsbürgerlichen Erziehung bezw. Belehrung dienen,»)
diese letzteren oft nicht als besondere Unterrichtsgegenstände, sondern an geeigneter Stelle (z.B.
Deutsch) in andere Fächer verwoben. Neben dem eigentlichen Unterricht häufig Veranstaltungen
allgemein bildender oder erziehlicher Art, (z. B. Bibliotheken, Turnen, Spiele, Ausflüge u. a.).
Der Religionsunterricht wird von den Schulmännern einmütig abgelehnt.
b) Form des Unterrichts. Der Unterricht wird meist in den gewöhnlichen Formen
des Schulunterrichts erteilt, und zwar so, dass die Unterrichtsfächer möglichst nach den einzelnen
Berufen geordnet sind, so dass das Fachliche stets im Mittelpunkt des Unterrichts steht (Berufs-
kunde). Demgegenüber wird neuerdings die Lehrwerkstätte als Grundlage des gesamten gewerb-
lichen Unterrichts empfohlen,13) zuerst von dem Stadtschulrat Kerschensteiner in München, welcher
dort das gesamte gewerbliche Unterrichtswesen auf dieser Basis neu organisiert hat. Die An-
schauungen hierüber sind ziemlich geklärt.
Der Schulwerkstatt fehlt der wirtschaftliche Antıieb, der nicht nur brauchbare und einwand-
freie, sondern auch wohlfeile Erzeugnisse fordert. Nur dort, wo Gewerbe und Industrie in ihren
Arbeitsmethoden gegen den Fortschritt anderer Länder zurückgeblieben sind, ist die Schulwerkstatt
vorteilhaft.
c) Lehrerpersonal. Als Lehrkräfte kommen in Betracht Gewerbelehrer im Haupt-
amt und Volksschullehrer, Techniker und Handwerksmeister im Nebenamt. Die weit überwiegende
Zahl der Stunden wird nebenamtlich erteilt, ausgenommen Baden und Württemberg. Gewerbe-
lehrerbildungsinstitute befinden sich z. Z. in Baden (angegliedert an die Baugewerkschule in Karls-
ruhe), Württemberg (Stuttgart), Bayern (München) und Sachsen (Chemnitz).
d) Unterrichtszeit. Gegenstand lebhaften Kampfes ist vielfach die Unterrichtszeit.
Überwiegend sind jetzt in den deutschen Staaten die späten Abendstunden (nach? Uhr) verboten, der
Sonntagsunterricht eingeschränkt. DerUnterricht wird jetzt meist an 2 halben Tagen der Woche, ent-
weder früh oder nachmittags erteilt, oder er wird für Saisongewerbe ganz auf die stille Zeit gelegt.
Gemeinsames Register am Schluss des dritten Bandes.
11) Schilling, das deutsche Fortbildungsschulwesen und Pache, Handbuch des deutschen Fortbildungs-
schulwesens.
12) Kerschensteiner, Staatsbürgerliche Erziehung.
18) Zu vergl. Kerschensteiner, Die Lehrwerkstätte ala Organisationsgrundlage der gewerblichen Fort-
bildungsschule (Vortrag auf dem 2. deutschen Städtetag zu München); auch Schilling ». a. 0. 8. 16 ff.