62 Michael Meyer, Der Deutsche Bauernbund,
eine Forderung der gesamten deutschen Landwirtschaft der Provinz Posen handle. Die Bundes-
leitung konnte nun annehmen, dass die bäuerliche Ansiedlung in Zukunft eingeschränkt
und dass dafür künftig grosse Restgüter geschaffen werden, welche kreistagsberechtigt sind. In der
dagegen protestierenden Ansiedlerversammlung zu Gnesen war der Führer des Bundes der Land-
wirte, Dr. Roesicke, nicht zu bewegen, eine den Wünschen der Ansiedler entsprechende Erklärung
abzugeben; durch dieses Verhalten wurde der endgiltige Bruch herbeigeführt.
Die wachsende Missstimmung gegen den Bund der Landwirte machte sich aber auch in den
anderen Teilen des Reiches geltend. Während der Bund in Versammlungen, in der Presse und im
Preussischen Abgeordnetenhaus für Restgüter und gegen vermehrte Vertretung der Bauern in
den Kıreistagen, gegen das Genossenschaftswesen der Ansiedler, aber für Sondervorteile des
Grossgrundbesitzers bei der Entschuldung kämpfte, machte er im Reichstage im Verein mit Zen-
trum, Polen und Welfen eine Reichsfinanzreform, die den kleinen und mittleren Bauernstand
schwer belastete. An Stelle der abgelehnten Erbanfallsteuer kam der B. d. L. mit dem Grund-
stückumsatzstempel, den er ursprünglich ohne Rücksicht auf die Grösse des verkauften Grund-
stückes durchgeführt haben wollte.
Als nun die Führer der Ansiedlerbewegung zusammen mit westdeutschen Bauern die Not-
wendigkeit des selbständigen Zusammenschlusses erkannten und die Gründung des „Deutschen
Bauernbundes‘ beschlossen, erliessen sie an die Deutschen Bauern einen Aufruf, der auch das neue
Programm enthielt. Reichstagsabgeordneter Hofbesitzer Wachhorst de Wente wurde
zum ersten und Landtagsabgeordneter Hofbesitzer Wamhoff zum zweiten Vorsitzenden ge-
wählt. Die Hauptgeschäftsleitung übernahm Reichstagsabgeordneter Dr. Böhme. Nach Grün-
dung der Hauptgeschäftsstelle in Berlin, Schellingstr. 2 setzte bald eine energische Werbetätigkeit
ein. In der Generalversammlung am 15. Dezember 1912 konnte bereits ein Mitgliederstand von
41 245 bekannt gegeben werden. Es hatten sich angeschlossen der „Fränkische Bauernbund“ unter
Führung des Herrn Memminger (Bayer. Landeszeitung), sowie die ‚Hessisch-Thüringische Bauern-
partei“ unter Führung der Herren Landwirt Trieschmann-Oberellenbach und Rudloff-Grandenborn.
Am l. Januar 1913 vollzog sich dann auch noch der Anschluss des ‚Deutschen Bauernbunds im
Königreich Sachsen“ unter Führung des Herrn Landtagsabgeordneten Clauss-Flöha.
Offizielles Organ ist die wöchentlich erscheinende Zeitschrift „Deutscher Bauernbund‘“,
Berlin; für Bayern erscheint in Würzburg unter gleichem Titel eine Wochenschrift. Ausserdem gibt
die Geschäftsstelle in Berlin alljährlich ein Taschenbuch und ein Jahrbuch heraus.
Bei den bisher stattgefundenen Reichstags- und Landtagswahlen hat in verschiedenen Wahl-
kreisen der Deutsche Bauernbund eingegriffen und in ungeahnter Weise Erfolge erzielt; ein Beweis
für die Zugkraft seines Programms.
Dieses fordert:
„Energische Vertretung der bäuerlichen Interessen in den Par-
lamenten und in den kommunalen Körperschaften auf nationaler Grundlage unter dem Wahlspruch:
„„Unter allen Umständen Kräftigung des Reichsgedankens““ und mit
dem Grundsatze: „„Das Vaterland über der Partei.““
enkbar energischste Betätigung bei den Wahlen zu diesen Körper-
schaften, damit Männer gewählt werden, diegewillt sind, gesunde Wirt-
schafts- und Bauernpolitik zu treiben.‘ Weiter hält das Programm fest an dem
bestehenden Schutzzollsystem. Infolge dieses Grundsatzes machte der Deutsche Bauernbund auch
energisch Front gegen die beabsichtigte Einfuhr von überseeischem Gefrierfleisch und die Oeffnung
der Grenzen für ausländisches Vieh. Er wies nach, dass solche Massregeln unsere einheimische Vieh-
zucht ruinieren, andererseits aber eine Sicherstellung der deutschen Fleischversorgung nicht er-
reichen können,
Ferner verlangt das Programm des Deutschen Bauernbundes eine gleichmässige und gerechte
Verteilung der Steuerlasten, unter Vermeidung einer besonderen Belastung einzelner Stände, ins-
besondere des Bauernstandes; des Weiteren Ausbau und Verbesserung des Wahlrechtes für die
Landtage der Einzelstanten; Reform der Kreisordnungen speziell in den östlichen Provinzen, wie
überhaupt Vermehrung der Vertreter eines aufrechten, selbstbewussten Bauernstandes in den