78 E. W. R. Zimmermann, Gerechtigkeit in der Steuerverteilung.
dass die Steuerobjekte, Erwerb, Besitz, Gebrauch, in einem sachgemässen, jener Gerechtigkeit
entsprechenden Verhältnis zur Besteuerung herangezogen werden, so ist bei der Ausgestaltung
der einzelnen Steuerarten vornehmlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen
zu berücksichtigen, dass nach ihr und nach den oben berührten, der neueren sozialpnlitischen Ent-
wicklung entsprechenden Einzelmomenten die Steuer, soweit deren Eigenart es zulässt, abgemessen
wird. Nach dem hierdurch erzielten Ergebnis wird sich dann wieder die Systembildung vermöge
des stetigen gegenseitigen Ineinandergreifens zu richten haben.
7. Steuersystem der einzelnen Steuergewalten und Gesamtsteuersystem.
Ebenso wie die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung in den einzelnen Steuern sowohl wie
in der Zusammenfassung derselben, dem Steuersystem, zum Ausdrucke kommen muss, ebenso ist
sie nicht etwa nur indem Steuersystem der einzelnen Finanzhoheit, welcher
das Recht einer Steuererhebung gesetzmässig zusteht (Steuergewalt), sondern auch in der Ge-
samtheit dieser Steuersysteme, sozusagen einem Gesamtsteuersystem des staat-
lichen Gemeinwesens überhaupt zu verwirklichen. Die Steuergewalten sind daher
in der Ausübung ihres Besteuerungsrechts nicht unbeschränkt; sie können sich nicht beliebig ein
selbständiges Steuersystem mit in sich geschlossen durchgeführter Gerechtigkeit in der Steuer-
verteilung bilden, sondern sie sind vielmehr gezwungen. eine solche Bildung in unbedingter Rück-
sichtnahme auf die Ausübung des Besteuerungsrechts der anderen Steuergewalten vorzunehmen.
Um die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung für das Deutsche Reich im ganzen zur Geltung zu
bringen, ist ein bis zu einem gewissen Grade gemeinsames Vorgehen des Reichs, der Bundesstaaten,
der grösseren mittleren Verbände und der Gemeinden hinsichtlich der Besteuerung notwendig,
welches naturgemäss bei der loseren bezüglichen gesetzlichen Abgrenzung namentlich zwischen
Reich und den übrigen Faktoren stets Schwierigkeiten bieten wird und leicht im einzelnen zu
Verletzungen des gerechten Verteilungsprinzipes führen kann.
Eine äussere Abscheidung, die allerdings durch die neueste Steuergesetzgebung des
Reichs mit ihrer Vermögensbesteuerung erhel,licher durchbrochen wurde, ist hier insofern getroffen,
als das Reich in erster Linicr Konsumsteuern, gewisse Bereicherungssteuern, namentlich einen Teil
der Verkehrssteuern und Erbschaftssteuer erhebt, während die übrigen Faktoren vorzugsweise Ein-
kommens- und Vermögenssteuer, daneben aber auch Ertrags- und Verkehrssteuer ihrer Besteuerung
zugrunde legen; zugleich sind den mittleren Verbänden und den Gemeinden stellenweise ganz oder
doch zum vorragenderen Teil die Realsteuern zugewiesen. Durch die gegenseitige Beschränkung in
der Besteuerungsmöglichkeit muss wesentlich auch unter der vorbezeichneten äusseren Abgrenzung
die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung bei dem Steuersystem des einzelnen Faktors wie Reich,
Bundesstaat pp. zum Teil mehr oder weniger zurücktreten, weil ja die einzelnen Steuerarten, auf
welche jede Steuergewalt für ihre Besteuerung angewiesen ist, vielfach nach ihrer unab-
änderlichen Eigenart nur eine beschränktere Durchführung jener oben bezeichneten obersten
Steuerprinzipien, auf welchen die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung beruht, gestatten. Dieses
Zurücktreten in dem einen Steuersystem wird aber in der Hauptsache wieder ausgeglichen werden
bei einem anderen Steuersystem, welches vorwiegender Steuerarten mit der entgegengesetzten
Tendenz enthält, bezw. nach Lage der Sache enthalten muss. Dadurch wird in der Zusammenfassung
der einzelnen Steuersysteme für das darin zum Ausdruck gelangende Gesamtsteuersystem des
Deutschen Reichs die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung wiederum erreicht.
8. Einfluss des historischen Entwicklungsgangs.
Wir haben im Vorstehenden stets schlechthin von Bildung von Steuersystemen und Aus-
gestaltung einzelner Steuerarten behufs Durchführung des Prinzips einer gerechten Steuerverteilung
gesprochen. In Wirklichkeit kann sich diese Bildung und Ausgestaltung keineswegs so einfach
und ohne weiteres vollziehen. Niemals wird es sich nämlich um eine vollständige Neubildung eines
Steuersystems sozusagen von reinem Tisch aus handeln, sondern stets nur umeine Aus- oder Um-
bildung in engeren oder weiteren Grenzen auf Grund und unter wesentlicher Berücksichtigung