Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Julius Wolf, Die öffentlichen Abgaben in Deutschland. s5 
Hauptsache um den alten Domanialbesitz, d. h. Domänen, Forsten, auch Bergwerke. In den grossen 
Bundesstaaten, in Preussen, Bayern, auch Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, haben die 
Staatseisenbahnen den Domanialbesitz in Hinsicht der volkswirtschaftlichen Bedeutung und 
Ergiebigkeit in den Hintergrund gedrängt. In Bayern und Württemberg spielt weiter das 
diesen Staaten vorbehaltene (von den anderen Bundesstaaten an das Reich abgetretene) Post- und 
Telegraphenregal eine Rolle. 
Der Reinertrag der „Erwerbsanstalten‘ in engerem Sinn, d. h. ohne Staatseisenbahnen, 
war in den Voranschlägen für 1912 im Reiche mit 135 Millionen (Roh-Ertrag 837 Millionen), der 
der Reichseisenbahnen mit 26.6 Millionen (Rohertrag 142 Millionen) Mark in Aussicht genommen. 
In den Budgets der grössten Bundesstaaten waren als Reinertrag pro 1912 eingestellt:?) 
Staatseisenbahnen andere Erwerbseinkünfte 
Millionen Mark 
Preussen 540 118 
Bayern 94 52 
Sachsen 45 15 
Württemberg 21 21 
ad 
Baden 30 5 ° 
Insgesamt werden Reichs- und Staatsbedarf in Deutschland zu rund %, durch Abgaben 
jeder Art, zu rund Y, durch die Einnahmen der Erwerbsanstalten gedeckt. 
II. Die Abgaben des Reiches. 
1. Das System. 
Bereits wurde ausgesprochen, dass unter den Abgaben des Reichs A) die Zölle und die Auf- 
wandsteuern i. e. S. die grösste Rolle spielen. Daneben kommen mit gleichfalls sehr hohen 
Erträgen B) die Steuern vom sogenannten Mobiliarverkehr in Betracht. Weiterhin hat das Reich 
sich in jüngerer Zeit immer neu C) Steuern „zugelegt“, die, hauptsächlich aus Forderungen der 
neueren Sozialpolitik geboren, besonders leistungsfähige oder besonders anstössige Einkommen 
treffen sollen über die von den Einzelstaaten erhobenen Einkommensteuern hinaus und die dem- 
gemäss als Spezialeinkommenssteuern oder E teuern zu behandeln sind?) 
Hierher gehören die Erbschafts-, die Tantiemen-, die Wertzuwachs-, bezw. an ihrer Statt seit 
der Finanzreform von 1913 die Vermögenszuwachssteuer, übrigens auch ihrer steuerlichen Ab- 
sicht, wenn schon nicht ihrer Einrichtung nach, die Börsensteuer. 
A) Zölle und Aufwandsteuern. 
Von den Abgaben, die durch das Reich zur Erhebung kommen, bringen die Zölle etwas 
über zwei Fünfel. So war für 1912 ihr Ertrag mit 699 Mill. budgetiert bei einer Gesamt- 
einnahme (im ordentlichen Etat) von 1735 Millionen Mark, 1913 sollen sie 721 Millionen Mark 
  
?) Es empfiehlt sich von den Voranschlägen auszugehen, da diese in der Regel auf Durchschnittsberech- 
nungen beruhen. Die Würdigung des Ertrags der Staatseisenbahnen betreffend vergl. übrigens Offenberg, 
Konjunktur und Eisentahnen 1914. 
3) Zum Verständnis der diesen Steuern hier gegebenen Qualifikation ist auf meine an anderer Stelle, in 
meiner Nationalökonomie" und meinem Buche „Die Volkswirtschaft der Gegenwart und Zukunft“, 1912, ge- 
troffene Einteilun g d er Ei in k ommen zu verweisen, die 1. Arbeitseinkommen, 2 . Fruchteinkommen (Kapital- 
zins), 3. Glücks-(K . Beuteeinkommen unterscheidet. Im Einklang mit dom ge- 
mäss dieser Skala „absteigenden‘‘ Bechtstitel verschiedener Einkommen, wie er sich aus modernem 
ethischen Empfinden ergibt, werden je länger je mehr die Frucht- und Glückseinkommen zusätzlichen 
Abgaben über die Steuer hinaus, die allen Einkommen (in der allgemeinen Einkommensteuer) auferlegt ist, also 
Spezialeinkommensteuern, unterworfen. Einkommenergänzungssteuern in diesem Sion sind für das .„‚Fruchtein- 
kommen‘: die Vermögenssteuern, für die Steuern vom Glücks- oder Konjunktural-Einkommen die Erbschaftssteuer, 
die Wertzuwachssteuer, wohl auch die Wertpapierstempel und (der Absicht nach) die Börsen-Steuer. Die Beute- 
Einkommen (z. B. Trustgewinne) sind zum Gegenstand besonderer steuerlicher Verfolgung bisher nicht gemacht. 
 
	        
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