s6 Julius Wolf, Die öffentlichen Abgaben in Deutschland.
bringen aus einer Gesamteinnahme von 2489 Millionen, worin jedoch der nur vorübergehend zu
erhebende Wehrbeitrag mit 417 Millionen Mark enthalten ist. Früher, vor der Reichsfinanzreform
von 1909, war der verhältnismässige Ertrag der Zölle höher: 52 bis 53 %, gegen die heutigen (pro
1912) nur 43 %. Haben die Zölle mehr als die anderen Abgaben als Belastung vorzugsweise der
Masse der Bevölkerung zu gelten, so wäre jenen Quoten zu entnehmen, dass die Masse eine gewisse
Entlastung erfahren hat. Doch hätte das nur für die jüngere Zeit zu gelten, denn der Zollertrag
pro Kopf war 1891: 8.11, 1901: 9.15, 1911: 11,82, 1912: 11,65 Mark und kurz nach Gründung des
Reichs, 1871/75, als die Einfuhr noch gering war und die Zölle (in der Freihandelsperiode) wenig
betrugen, sogar nur 2.87 Mark.
Der Ertrag der Zölle — im Rechnungsjahr 1911 insgesamt 779 Millionen + 106 Millionen
Mark in Anrechnung gebrachte Einfuhrscheine — wird hauptsächlich aufgebracht durch
Nahrungs- und Genussmittel mit (in 1911) nicht weniger as 723 Mill.
davon Getreide 282 „
Kaffee 109 „
-Tabakblätter 103 „
Mineralöle mit 82 „
Nahrungs- und Genussmittel zusammen mit Mineralölen brachten also rund 800 Millionen von
885 Millionen.
Von den insgesamt eingeführten, bezw. von den daraus zollpflichtigen Waren
war der
bei Rohstoffen für industrielle Zwecke einschl. Halbfabrikate . 3, bezw. 15 Prozente des Werts
„ Fabrikaten . . . 2. 2 2 2 2 Er 2 2 rn on an 9 „ 16 » » „
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Nahrungs- und Genussmittel können also gemeinhin als mit einem Zoll von !/, ihres Wertes belegt
gelten. Getreide zahlt Zoll zu Y, des Werts, schwankend nach dem Jahrespreise, 1912 erreichte
der Zoll 23 Prozent.
VondenAufwandsteuern, die zur Erhebung gelangen,ist die fürs Reich ergiebigste die
Branntweinsteuer. Inden Etat pro 1912 ist sie mit 195, in jenen pro 1913 mit 195.5 Mill.
Mark eingestellt. Effektiv hat sie im Betriebsjahr 1911/12 bereits 203 Mill. Mark erbracht.
Die Branntweinsteuer zerfiel nach der Regelung von 1909 in eine Branntwein-Verbrauchs-
abgabe als eigentliche Steuer und eine sogenannte Betriebsauflage, die nicht als Steuer, sondern
als Zwangsbeitrag zur Förderung des Brennereigewerbes gedacht war. Die „Verbrauchsabgabe‘
betrug 1.05 und 1.25 M pro Liter Alkohol, je nachdem die Erzeugung im Rahmen des sogenannten
Kontingents erfolgt oder jenseits desselben. Der Staffelung lag die Absicht zu Grunde, die Pro-
duktion in engeren Grenzen zu halten und auf diese Weise der Brennerei für ihr Fabrikat sicheren
Absatz und bessere Preise zu verschaffen. Diese Rücksichtnahme erfolgte hauptsächlich im Hin-
blick auf die Bedeutsamkeit der Brennerei für den Kartoffelbau, dessen Rentabilität im Osten und
Süden Deutschlands mit der Brennerei steht und fällt. Es ist klar, dass, wenn der im Rahmen
des Kontingents erzeugte Branntwein den Trinkbedarf nic ht zu befriedigen vermag, der Konsum
für den gesamten Branntwein einen Preis bewilligen muss, welcher dem Produzenten den
höheren Steuersatz einbringt. Es war dies die sogenannte „Liebesgabe‘, unter diesem
Namen Gegenstand heftiger Anfechtung durch die nicht agrarischen Parteien.‘) Insgesamt be-
rechnete sie sich vor der Reform der Steuer in 1912 auf 361, Millionen Mark, die also die
Brenner über die Steuer hinaus vom Konsumenten erhoben.
Durch die Novelle vom 14. Juni 1912 wurde die Kontingentierung für alle Bundesstaaten
ausser Bayern, Württemberg und Baden aufgehoben. Für sie gibt es also nur einen Einheitssatz
der Steuer in Höhe von 1,25 M. Ganz unverändert hat die Novelle aber auch für die süddeutschen
Staaten die Verhältnisse nicht gelassen. Sie kürzte vielmehr wesentlich die Spannung zwischen
dem Steuersatz für kontingentierten und nicht kontingentierten Spiritus. Die gegenwärtigen Sätze
*) Über den Standpunkt dieser vgl. etwa Gothein, Agrarpolitisches Handbuch 1910 S. 170 ff.