Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im allgemeinen. 147 
mit der nötigen Peinlichkeit. Es kommt darauf an, ob das Kind intellektuell 
und ethisch so weit gereift ist, daß es seine Tat als einen Bruch der all- 
gemeinen Rechtsordnung, der mit einer gerichtlichen Strafe zu be- 
legen ist, begreift. Das abgeschlossene 12. Lebensjahr ist weder von der Natur 
noch in unserer Gesellschaftsordnung und Erziehung ein bedeutungsvoller Ab- 
schnitt. Die Strafbarkeitseinsicht wird zuerst beim Diebstahl vorhanden sein, 
deswegen aber nicht zugleich auch bei der Unterschlagung, beim Betrug, bei 
der Beleidigung, der Urkundenfälschung, bei den Sittlichkeitsverbrechen. Hin- 
sichtlich des Meineides nimmt das Gesetz selbst an, daß erst mit dem voll- 
endeten 16. Lebensjahre das Verständnis für die Bedeutung des Eides im 
Menschen vorhanden ist. Und doch wird dem Kinde schon in den 10 Ge- 
boten (neben: Du sollst nicht stehlen!) gelehrt: Du sollst nicht falsches Zeugnis 
reden wider Deinen Nächsten und: Du sollst den Namen Deines Gottes nicht 
unnützlich führen! 
Strafen für Jugendliche. 
§ 57. Wenn ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das 
zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare 
Handlung begangen hat, bei Begehung derselben die zur Erkenntnis ihrer 
Strafbarkeit erforderliche Einsicht besaß, so kommen gegen ihn folgende Be- 
stimmungen zur Anwendung: 
1. ist die Handlung mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zucht- 
haus bedroht, so ist auf Gefängnis von drei bis zu fünfzehn 
Jahren zu erkennen; 
Das Höchstmaß der 15 jähr. Gefängnisstrafe darf auch bei Zu- 
sammentreffen verschiedener Delikte nicht überschritten werden. 
2. ist die Handlung mit lebenslänglicher Festungshaft bedroht, so ist 
auf Festungshaft von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 
3. ist die Handlung mit Zuchthaus oder mit einer anderen Strafart 
bedroht, so ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage 
der angedrohten Strafart und der Hälfte des Höchstbetrages der 
angedrohten Strafe zu bestimmen. 
Ist die so bestimmte Strafe Zuchthaus, so tritt Gefängnis- 
strafe von gleicher Dauer an ihre Stelle; 
4. ist die Handlung ein Vergehen oder eine Uebertretung, so kann in 
besonders leichten Fällen auf Verweis erkannt werden; 
5. auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner 
bürgerlicher Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht 
ist nicht zu erkennen. 
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