Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

Einzelne Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung. 169 
Gefangenenbefreinng. Vorsatz. 
§ 120. (L. bez. A.) Wer einen Gefangenen aus der Gefangenanstalt 
oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder desjenigen, 
unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, 
vorsätzlich befreit oder ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behilflich ist, wird 
mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. 
Der Versuch ist strafbar. 
Gefangener ist jeder, der kraft obrigkeitlicher Autorität seiner per- 
sönlichen Freiheit beraubt und in der tatsächlichen Gewalt einer Behörde oder 
eines Beamten ist. Wer von einer Privatperson festgenommen ist, wird erst 
mit Uebergabe an einen Beamten ein Gefangener. Selbstbefreiung ist 
nur nach § 122 strafbar. Der Gefangene kann zum Vergehen nach § 120 
anstiften und Beihilfe leisten. 
§ 121. (L.) Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Beauf- 
sichtigung oder Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt oder dessen Be- 
freiung befördert, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. 
Fahrlässigkeit. 
(A.) Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert worden, so tritt 
Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert 
Mark ein. 
Beauftragt kann hier auch eine Privatperson sein. 
Fahrlässigkeit ist die Vernachlässigung einer pflichtgemäß gebotenen 
Aufmerksamkeit, die der Täter nach seinen persönlichen Eigen- 
schaften und den tatsächlichen Umständen des Falles vermeiden 
konnte. Der fahrlässige Täter mußte den Erfolg seiner Handlung bei An- 
wendung der gebotenen Sorgfalt vorauss ehen können. Vermochte er 
dies nicht, weil ihm die dazu erforderliche geistige Befähigung oder Ausbildung 
oder Geschicklichkeit fehlte, so ist strafbare Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Der 
fahrlässige Täter braucht aber nicht gerade den später wirklich eingetretenen 
Entwickelungsgang der Dinge vorauszusehen, es genügt, wenn er den Erfolg 
seines Tuns im allgemeinen voraussehen mußte. 
Menterei von Gefangenen. 
§ 122. (L.) Gefangene, welche sich zusammenrotten und mit vereinten 
Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten 
angreifen, denselben Widerstand leisten oder es unternehmen, sie zu Handlungen 
oder Unterlassungen zu nötigen, werden wegen Meuterei mit Gefängnis nicht 
unter sechs Monaten bestraft. 
Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit 
vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen.
	        
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