Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

Einzelne Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung. 197 
Kenntnis erhalten hat. Der Täter muß eine solche Kenntnisnahme bezwecken 
oder als möglich voraussehen. Der Beleidigte, z. B. ein Kind, ein Geistes- 
kranker, braucht kein Verständnis für die Ehrverletzung zu haben. Eine Ohr- 
feige ist Körperverletzung, wenn Schmerz, ist Beleidigung, wenn Ehrverletzung 
zugefügt werden soll. Was ehrverletzend ist, ist im einzelnen Falle zu ent- 
scheiden. Hierüber entscheiden Sitten, Gebräuche und Anschauungen der Ge- 
sellschaftskreise. 
Ueble Nachrede. 
§ 186. (I. bez. A.) Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache 
behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der 
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese 
Tatsache erweislich wahr ist, wegen Beleidigung mit Geldstrafe bis zu sechs- 
hundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre und, 
wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, 
Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Geldstrafe bis zu eintausend- 
fünfhundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. 
Im Gegensatze zu § 185 wird in § 186 die Behauptung einer 
bestimmten Tatsache, wozu auch Urteile und Ansichten zu rechnen sind, be- 
straft, welche gegenüber anderen Personen, vielleicht im Beisein auch des 
Verletzten, in Beziehung auf diesen erfolgt. Wer eine ehrenrührige Tatsache 
behauptet, muß sie nach dem Sinne des Gesetzgebers auch beweisen können. 
Versagt aus irgend welchen von ihm auch nicht verschuldeten Gründen, z. B. 
durch den Tod von Zeugen, der Beweis, so muß er Strafe leiden. Der 
gesunde Gedanke des Gesetzgebers ist, vor übereilter und vor überhaupt jeder 
ehrenrührigen Behauptung zu warnen. Auch der gute Glaube an die Wahr- 
heit der Tatsache macht nicht straflos. Strafbar auch, wer ehrenrührige Ge- 
rüchte als solche behauptet und verbreitet. Behauptung einer bestimmten ehr- 
losen Gesinnung ist Behauptung einer Tatsache. Der Täter behauptet eine 
Tatsache, wenn er sie als seine Ansicht aufstellt, er verbreitet sie, wenn er 
sie als ihm gewordene Mitteilung andern weiter gibt. Im übrigen die Vor- 
aussetzungen wie bei § 185. Es muß irgend eine Person Kenntnis ge- 
nommen haben usw. Was verächtlich macht und in der öffentlichen 
Meinung herabwürdigt, ist im Einzelfalle zu entscheiden. 
Verleumderische Beleidigung. 
§ 187. (L. bez. A.). Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf 
einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche den- 
selben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen 
oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird wegen verleumderischer 
Beleidigung mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn die Verleumdung
	        
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