Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Außerungen auch nur im Scherze getan wurden, so ist doch sicher, daß etwas 
dahintersteckt, und ich halte es für sehr möglich, daß Sie daraus Nutzen ziehen 
können. — · 
2. Quelle: Antwort des Königs. Potsdam, 24. Januar 1771. 
Übersetzung: G. Mendelssohn-Bartholdy a. a. O. S. 435. 
Ich fürchte sehr, daß die Russen, wenn sie nicht von ihrem großen Piane, die 
Türken zu erniedrigen, abstehen, noch in diesem Jahre in Krieg mit dem Hause 
Osterreich geraten werden. Das wird mich in große Verlegenheit bringen. Nie 
und niemals werden die Osterreicher in die Erniedrigung der Pforte willigen. 
Ich aber werde mich genötigt sehen, bei diesem Lärm neutral zu bleiben, da ein 
Krieg für mich noch verfrüht sein würde. Der, den wir hinter uns haben, war 
zu zerstörend und heftig, als daß wir so bald einen neuen unternehmen könnten, 
und Ermland, das man uns in Aussicht stellt, lohnt nicht die Mühe, auch nur 
6 Soust) auszugeben, um es zu erwerbene). Wenn die Osterreicher Krieg mit 
den Russen anfangen, wird es unter ihnen ganz andere Dinge zu ordnen geben 
als den Grenzstrich Polens, den sie besetzt haben. Ich werde mich also nicht be- 
eilen, sondern abwarten, ob die Ereignisse eine solche Erwerbung begünstigen; 
sonst bleibe ich lieber in der Lage, in der ich jetzt bin. In dieser abwartenden 
Stellung werden wir jeden Augenblick, den der Friede fortdauert, neue Kräfte 
sammeln, und wenn Rußland und Osterreich sich gegenseitig erschöpfen, so glaube 
ich, daß mehr für die neutrale Macht zu gewinnen sein wird als für die krieg- 
führenden Mächte. Zum mindesten werde ich meine Neutralität mit Ehren 
aufrecht erhalten können. — Sie werden gewiß mit mir derselben Meinung sein. 
Denn ich würde einen unverzeihlichen politischen Fehler zu machen glauben, 
wenn ich an der Vergrößerung einer Macht mitarbeitete, die ein furchtbarer und 
schrecklicher Nachbar für ganz Europa werden könnte. 
3. Quelle: Der König an den Prinzen Heinrich über das neuerworbene 
Westpreußen. Potsdam, 12. Juni 1772. 
lbersetzung: G. Mendelssohn-Bartholdy a. a. O. S. 438. 
. . Ich habe dieses Preußen gesehen, das ich gewissermaßen aus Ihrer 
Hand empfangen habe. Es ist eine sehr gute und sehr vorteilhafte Erwerbung, 
sowohl in bezug auf die politische Lage des Staates als auch die Finanzen. Um 
jedoch weniger Eifersucht zu erregen, sage ich jedem, der es hören will, daß ich 
bei meiner Durchreise nur Sand, Tannen, Heide und Juden gesehen habe. 
Allerdings legt mir dieses Stück Land auch viel Arbeit auf; denn ich glaube, 
Pomerellen ist ebenso zivilisiert wie Kanada: keine Ordnung, keine Einteilung. Die 
Städte sind in einem bejammernswerten Zustande. Culm soll z. B. 800 Häuser 
haben, es stehen aber nur 100. Die Einwohner sind entweder Juden oder 
Mönche 
1) 3 Groschen. 
2) In einem eine Woche späteren Briefe fügt Friedrich hinzu: Auf die Besetzung 
des Herzogtums Ermeland habe ich verzichtet, weil das Spiel den Einsatz nicht wert ist. 
Dieser Anteil ist so klein, daß er das sich erhebende Geschrei nicht aufwiegen würde. 
Polnisch-Preußen dagegen wäre der Mühe wert, selbst ohne Danzig; denn dann hätten 
wir die Weichsel und, was sehr wichtig wäre, die freie Verbindung mit dem Königreiche.
	        
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