Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

Tilsit, den 3. Januar 1813. 
Ew. königlichen Majestät Monarchie, obgleich beengter als im Jahre 1805, 
ist es jetzt vorbehalten, der Erlöser und Beschützer Ihres und aller deutschen Völker 
zu werden. Es liegt klar am Tage, daß die Hand der Vorsehung das 
große Werk leitet. Jetzt oder nie ist der Moment, Freiheit, Unabhängig- 
keit und Größe wiederzuerlangen. In dem Ausspruche Ew. Majestät 
liegt das Schicksal der Welt. Der Furchtsame will ein Beispiel, und Osterreich 
wird dem Wege folgen, den Ew. Majestät bahnen. Ew. Majestät kennen mich als 
einen ruhigen, kalten, sich in die Politik nicht einmischenden Mann. So lange 
alles im gewöhnlichen Gange ging, mußte jeder treue Diener den Zeitumständen 
folgen. Das war seine Pflicht. Die Zeitumstände aber haben ein ganz anderes 
Verhältnis herbeigeführt, und es ist ebenfalls Pflicht, diese nie wieder zurück- 
kehrenden Verhältnisse zu benutzen. Ich spreche hier die Sprache eines alten, 
treuen Dieners, und diese Sprache ist die fast allgemeine der Nation. Der Aus- 
spruch Ew. Majestät wird alles neu beleben und begeistern, wir werden uns wie 
alte, echte Preußen schlagen, und der Thron Ew. Majestät wird für die Zukunft 
felsenfest und unerschüttert dastehen. 
Ich erwarte nun sehnsuchtsvoll den Ausspruch Ew. Majestät, ob ich gegen den 
wirklichen Feind vorrücke, oder ob die politischen Verhältnisse erheischen, daß Ew. 
Majestät mich verurteilen. Beides werde ich mit treuer Hingebung erwarten, und 
ich schwöre Ew. königlichen Majestät, daß ich auf dem Sandhaufen ebenso ruhig 
wie auf dem Schlachtfelde, auf dem ich grau geworden bin, die Kugel erwarten 
werde. Ich bitte daher Ew. Majestät um die Gnade, bei dem Urteil, das gefällt 
werden muß, auf meine Person keine Rücksicht nehmen zu lassen. Auf welche Art 
ich sterbe, ich sterbe immer als Ew. Mgjestät 
alleruntertänigster und getreuster Untertan 
Morck. 
112. 
Stimmung in Preußen nach dem Untergange der Grande Armée. 
1812—1813. 
Quelle: Ed. Schüller: Jugenderinnerungen. Leipzig 18761). 
Weihnachten kam heran. Ich erhielt die Erlaubnis, meinen Vater zu besuchen. 
Bei den damals so schlechten Posten reiste ich in einer kalten Dezembernacht auf 
offenem Wagen nach Liegnitz und von dort zwar in einem bedeckten, doch nicht 
minder unbequemen Fuhrwerke bis Neustädtel. Ich ahnte nicht, daß ich es einst sein 
sollte, der diesen menschenmörderischen Fuhrwerken mit das Todesurteil sprechen sollte. 
Ehe ich im Vaterhause einkehrte, muß ich der großen politischen Bewegungen 
gedenken, die sich um diese Zeit zu entwickeln begannen. Den ganzen Sommer 
über hatte in dem fernen Rußland der Krieg getobt. Bei uns war eine schein- 
bare Ruhe eingetreten, besonders in dem Teile Schlesiens, in dem ich wohnte, 
und der von Durchmärschen der französischen Truppen nicht berührt wurde. Aber 
schon kamen im Spätherbst bedeutsame Nachrichten vom Kriegsschauplatze. Bis 
dahin hatte man auch diesmal an den Sieg Napoleons geglaubt. Es konnte ja 
1) Der 1869 verstorbene Oberpostrat Schüller war in seiner Jugend Verwalter auf 
uem herrschaftlichen Gute zu Ols in Schlesien. Im Frühjahr 1813 wurde er freiwilliger 
äger.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.