J.
Zur Vorgeschichte der Mark Brandenburg
bis zur Besitznahme durch die Hohenzollern.
1.
Über die Sitten der Slawen.
Quelle: Helmold, Chronik der Slawen (Lateinisch)u). I, 52.
lbersetzung: B. Schmeidler, Helmolds Chronik der Slawen. 3. Aufl. Leipzig 1910. (Geschichtschreiber der
deutschen Vorzeit. Band 56.) S. 121—123.
Außer den heiligen Hainen und Hausgöttern, an denen Fluren und Dörfer
Überfluß hatten, waren die ersten und vorzüglichsten unter den Göttern Prove,
der Gott des Oldenburger Landes, Siwa, die Göttin der Polaben, und Radigast,
der Gott des Obotritenlandes. Diesen waren Priester geweiht und wurden be-
sondere Opfer dargebracht, und man verehrte sie auf mancherlei Weise. Die Feste
nämlich, die zu Ehren der Götter zu feiern sind, sagt der Priester nach dem Aus-
fall des Loses an, und dann kommen Männer, Frauen und Kinder zusammen
und bringen ihren Götzen Opfer dar, bestehend in Rindern und Schafen; ja sehr
viele opfern auch Menschen, Christen nämlich, weil sie erklären, am Blute der-
selben hätten die Götter Wohlgefallen. Nachdem das Opfertier getötet ist, kostet
der Priester von dem Blute desselben, um sich zum Empfange göttlicher Weisung
mehr zu befähigen. Denn daß die dämonischen Wesen durch Blut leichter an-
zulocken sind, ist die Meinung vieler. Wenn dann das Opfer dem Brauche ge-
mäß vollzogen ist, wendet sich das Volk zu Schmaus und Freude. Die Slawen
haben aber einen sonderbaren abergläubischen Gebrauch; bei ihren Schmäusen und
Zechgelagen lassen sie nämlich eine Schale herumgehen, auf welche sie im Namen
der Götter, nämlich des guten und des bösen, Worte, nicht der Weihe, sondern
vielmehr der Entweihung ausschütten. Sie glauben nämlich, alles Glück werde
von einem guten, alles Unglück von einem bösen Gotte gelenkt. Daher nennen
sie auch den bösen Gott in ihrer Sprache Diabol oder Zcerneboch, d. h. den
schwarzen Gott. Unter den vielgestaltigen Gottheiten der Slawen ist vor allen
Zvantevith zu erwähnen, der Gott des Landes der Rugianer, der nämlich in
Orakelsprüchen am wirksamsten sein soll; im Vergleich zu ihm betrachten sie die
anderen Gottheiten nur als Halbgötter. Daher pflegten sie ihm wie zur besonderen
Ehre alle Jahre einen Christen, auf den das Los fällt, zu opfern. Dahin über-
sandten sie sogar aus allen slawischen Ländern bestimmte Summen zu den Kosten
der Opfer. Den Dienst am Heiligtum aber versehen sie mit außerordentlicher
Ehrfurcht und Sorgfalt; denn weder leisten sie leichthin einen Eid, noch dulden sie,
1) Über Helmold vgl. Teil I. S. 94. Anm. 1.
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. L. 1